Zum Tod von Alexander TOLLMANN
         

 

      
em. o. Univ.-Prof. Dr. Alexander TOLLMANN, geb. 27. Juni 1928, ist am 8. August 2007 verstorben

Ich kannte Prof. Tollmann seit Mitte der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts, etwa seit jenem Zeitraum, da er die Grenzen seines Faches, der Geologie, hinaus ins öffentliche Interesse getreten ist.

Das war im Rahmen der Diskussion um das Atomkraftwerk Zwentendorf, noch im Vorfeld der Volksabstimmung von 1978, wo er einer der beiden offiziell bestellten Gutachter hinsichtlich des Standortes des geplanten AKWs gewesen ist. Der andere war der Geophysiker Dr. Drimmel von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte. Was damals herausgekommen ist, waren zwei Gutachten, die einander diametral widersprochen haben, und die gleichzeitig ein Lehrstück für wissenschaftstheoretische Überlegungen darstellen. Zwei gleich gut qualifizierte Wissenschaftler sind zu entgegengesetzten Schlüssen gekommen, für Drimmel war der Standort Zwentendorf geeignet, weil sicher, und für Tollmann war Zwentendort extrem unsicher, weil erdbebengefährdet. Die Begründung für diese unterschiedlichen Resultate lag darin, daß die beiden Gutachter unterschiedliche Methoden zur Anwendung brachten und es offenbar keinen Konsens darüber gab, welche Methode die geeignetere sei.

Ein Lehrstück, sagte ich, denn der Tollmann-Drimmel-Kontroverse lassen sich im Bereich der Parapsychologie etwa die Utts-Hyman-Kontroverse, oder die Kontroverse um die vom PEAR Laboratorium angewandte Statistik, oder die neuere Kontroverse rund um Daten, welche einer Metaanalyse zugrundezulegen sind, und welche nicht hineingehören, oder die allerneueste hinsichtlich des Pingpongball-Experiments (Ertel vs. GWUP) an die Seite stellen, wo es immer wieder darum geht, welche Methodik anzuwenden sei.

Insofern wird der Parapsychologie vielfach der formale Vorwurf gemacht, es handle sich – in der Ausdrucksweise Kuhns – um eine präparadigmatische Wissenschaft, deren Kennzeichen die Zerfallenheit in Schulen sei. Es will mir scheinen, daß sich dieser Vorwurf in Nichts auflöst, wenn man Präzedenzfälle wie Tollmann gegen Drimmel ins Kalkül zieht, denn es wird ja wohl niemand so etablierten Fächer wie Geologie, Geophysik oder Geodynamik den Status einer „reifen” Wissenschaft absprechen wollen.

Die Zwentendorf-Diskussion, in die sich maßgeblich auch der Nobelpreisträger Konrad Lorenz einbrachte, war instrumental für die Gründung der „Grünen” als politische Kraft, wobei Tollmann einer der Gründerväter war, sich aber dann, als die Partei andere Schwerpunkte setzte als die Ökologie, von ihnen abwandte. Sie dem wie es sei, ökologisches Denken in die öffentliche Diskussion in Österreich gestellt zu haben, ist ein bleibendes Verdienst von Tollman und seinen damaligen Mitkämpfern.

Es mag interessieren, daß Tollmann, wie auch seine Frau, ein gewisses Interesse am Gegenstand der Parapsychologie hatte und mir schon damals von zwei selbst erlebten Spontanfällen berichtet hat.

Den relativ frühen Tod seiner Frau scheint er nie verwunden zu haben; ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß dieses Ereignis ihn vollends aus der Bahn geworfen hat, nachdem bereits das gemeinsam mit seiner Frau verfaßte „Sintflut”-Buch von kompetenter Seite stark kritisiert worden ist.

Tollmanns Hinwendung zum Thema endzeitlicher Prophezeiungen scheint von einer emotionalen Komponente getragen gewesen sein, die diesen Mann höchster Begabung, der es im wissenschaftlichen Establishment auch weit gebracht hat – er hatte sub auspiciis praesidentis promoviert und war ordentlicher Universitätsprofessor und Institutsvorstand – auf intellektuelle Abwege geführt und dazu beigetragen hat, sich in Unsinn zu verrennen. Mehr noch, er hat sein Prestige in die Waagschale geworden, diesen Unsinn in seinem Buch vom „Weltenjahr” zu verbreiten und hat damit zahllose kritiklose Leser verunsichert.

In mehreren Diskussionen, die ich mit ihm damals hatte, hat er zwar eingesehen, daß die einzelnen Prophezeiungen, die er analysiert hat, nicht unabhängig von einander sind, aber der Darlegung Arthur Hübschers, der schon vor Jahrzehnten nachgewiesen hat, daß es sich eigentlich um nichts als ein Erzähltopos handelt, hat er sich dennoch verschlossen und war nicht bereit, sein Resümee zu modifizieren.

Und auch das ist ein Lehrstück:
Tollmann scheint so etwas wie der primus inter pares in dieser a.a.O. genannten Gruppierung „eschatologischer Christen” gewesen zu sein, die ihrerseits einen geschlossenen feedback-Zirkel mit gegenseitiger Bestärkung darstellen, wie ihn seinerzeit Hans Bender in analoger Weise im Umfeld der im Zuge eines Exorzismus ums Leben gekommenen Anneliese Michel aus Klingenberg diagnostiziert hat (und dort recht treffend einen wahren „Teufelskreis” genannt hat). Selbstreferentielle Gruppen bergen Gefahren in sich – das wird an diesen Fällen wieder deutlich. Mit einem Seitenblick auf den Wissenschaftsbetrieb: auch das System von peer-reviewed journals birgt Probleme, die auszuführen hier allerdings zu weit führen würde.

Ich habe Tollmann später noch ein paar Mal gesehen, aber nicht mehr mit ihm gesprochen. Er hat, seinem Äußeren zufolge, den Eindruck gemacht, ein gebrochener Mann zu sein. Welch Gegensatz zu seiner Äußerung im Jahre 1999, er würde der glücklichste Mensch sein, wenn sich seine „Weltuntergangs”-Prophezeiung nicht bewahrheitete …

An der Bahre müssen Vorwürfe, daß er Menschen irregeführt hat, und daß er der Beschäftigung mit Grenzgebieten einen Bärendienst erwiesen hat, schweigen. Was bleibt, ist, daß der Mensch Tollmann eine zutiefst tragische Erscheinung war ...

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