STIGMATISATION

„Träger der Wundmale Christi“
von Franz v. ASSISI bis Therese NEUMANN von KONNERSREUTH

 
Franz von AssisiWallfahrtskirche Ma. Lanzendorf - Photo (c) MulaczKirche "Zur hl. Dreifaltigkeit" Pfarre Alservorstadt (Seitenaltar im rechten Querschiff)Therese Neumann von Konnersreuth
 
Mitte: zwei Versionen der 5-Strahl-Vision des Franz von Assisi (fünf Wunden Jesu) - kunstgeschichtlich erst später herausgebildet
 


Buchkapitel zum Thema:


STIGMATISATION — Stigmatisierte als »Träger der Wundmale Christi«?

»Wunder« kritisch hinterfragt“
im Sammelband

 „Wissenschaft kritisch hinterfragt – naturphilosophische Kontroversen“
II. Symposium im Stift Vorau (2012)

Wien 2014, Verlag ERASMUSWien,
ISBN 978-3-9502954-2-9

STIGMATISATION (stigma [stigma] = Stich, Mal, Zeichen; Stigmatisation in der Antike die Kennzeichnung [Brandmarkung] der Sklaven)
     
    Religiöse Stigmatisation
    vulgo „Träger der Wundmale CHRISTI“
primär: Römisch-katholische Kirche
sekundär: Anglikan. Kirche, Methodisten, Sekten
(Evang. Kirche A.B. – bloss zwei Spezialfälle)
Fragliche Analoga im Islam
    Soziale Stigmatisation *)
Dies ist eine andere – und in unserer säkularisierten  Gegenwart eher im Vordergrund stehende – begriffliche Verwendung des Wortes „Stigmatisation“, nämlich Kennzeichnung und in der Folge Ausgrenzung von Menschen oder gesellschaftlichen Gruppen aufgrund äußerer Merkmale. 
Das Wort „Stigmatisation“ ist demnach  jeweils kontextabhängig zu verstehen.

Anmerkung: Diese Seite beschäftigt sich ausschließlich mit der Stigmatisation im religiösen Sinn.

B
I
B
E
L
Lk 22,44 Und er [Jesus in Gethsemane (Ölberg)] betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.

Joh 19,1 Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln. 2 Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf … (vgl. Mt 27,29; Mk 15,15.17)

Joh 19,18 Dort [Golgotha] kreuzigten sie ihn … (vgl. Mt 27,35; Mk 15,24; Lk 23,33)

Kol 1,24 Jetzt freue ich [Paulus] mich in den Leiden … ergänze … in meinem irdischen Leben, was an den Leiden Christi noch fehlt.

1 Petr 4,13 … freut euch, dass ihr Anteil an den Leiden Christi habt …


ECKDATEN ZUR STIGMATISATION 

Anzahl der Stigmatisierten:

    „Innere“ Stigmatisation: über 300 (IMBERT-GOURBEYRE, 1894: 321) Fälle

    Stigmatisation im eigentlichen Sinn (sichtbare Wundmale):  weniger als 100 Fälle

    SCHLEYER, 1948: 66 Fälle

    Kanonisiert: insgesamt 13 Stigmatisierte (zuletzt P. Pio), weitere Heiligsprechungen eingeleitet;
    P. Pio ist der einzige stigmatisierte Priester

Männliche Stigmatisierte: nur ca. 15, incl. dubioser Fälle
Die Zahlenangaben  weisen eine große Schwankung zwischen den einzelnen Autoren auf. Primär ist dabei die Frage, wer von den Genannten war äußerlich sichtbar, also im strenge Sinne, stigmatisiert, wer war vielleicht nur "innerlich stigmatisiert" (subjektive Schmerzempfindung an den betreffenden Stellen ohne äußere Sichtbarkeit) bzw.  stand bloss im Rufe, es gewesen zu sein, wem hat man das zugeschrieben, ohne dass es historisch erhärtet ist …
Die von Schleyer angeführten Zahlen, die freilich aufgrund der seither vergangenen fünf Jahrzehnte zu aktualisieren sind, stellen sozusagen "Minimalangaben" bei der Anwendung strengster Kriterien dar; in der "beschaulichen" Literatur des Katholizismus finden sich vielfach auch weit höhere Zahlen, die aber wissenschaftlich recht fragwürdig sind.
Frühe Fälle von Stigmatisation:
    Hl. PAULUS („Innere“ Stigmatisation: „Ich trage die Wundmale Christi in mir“)

    Prä-franziskanische Stigmatisierte:

    Ozanne von VOUZY (vor 920)
    Lutgardis von TONGEREN (1182–1246; Phänomene um 1210)
    Hl. Franziskus von ASSISI (1181/82–1226, Stigmatisation 1224)

    Elisabeth von ERKENRODE (um 1250)


STIGMATISATIONSSYNDROM

Stigmata (Hand-, Fuß-, Seitenwunde, Stirn, tlw. auch Schulter, Knie, Geißelwunden):

  • Ideoplastische Bildungen vs. Veränderungen, Umgestaltungen im Laufe der Zeit
  • Substanzgewinn („Nagelkopf“ aus Körpersubstanz gebildet) vs. Substanzverlust ("Loch" in der Hand)
  • Stigmata heilen weder ab, noch fallen sie Infektionen/Entzündungen anheim
  • Blutungen: blutige Vesikationen, Blutschwitzen, Blutweinen (letzteres ohne biblische Vorbilder!)
Weitere Charakteristika:
  • langjährige Krankheitsgeschichte - oft mit "wunderbaren" Heilungen - vor dem Manifestwerden der Stigmatisation etc.
  • Veränderte Bewusstseinszustände, Ekstasen mit Visionen / Auditionen (Passion, Liturgie)
Gleichzeitig auftretende paranormale Phänomene:
  • Telepathie, Hellsehen, Präkognition (insbes. bzgl. eigener Leiden etc.), Hierognosie (Unterscheidung von geweihten und nicht geweihten Gegenständen)
  • Telekinese, Levitation, Licht-, Geräusch- (Poltern) und Duftphänomene
  • Inedie, Asitie (Nahrungslosigkeit) - minimale Nahrungsaufnahme, Abscheu vor Nahrung
  • fehlendes Schlafbedürfnis
  • „diabolische“ Anfechtungen
Der 1999 selig- und am 16. Juni 2002 heiliggesprochene P. PIO (1887–1968) und die Therese NEUMANN aus KONNERSREUTH (1898–1962) waren im 20. Jahrhundert die bekanntesten Stigmatisierten.

Links - pro und contra:
Blutweinen
Blutweinen -
unbiblisch
Pater Pio (Bildquelle: www.apulia.com/italiano/turismo/gif/pio2.jpg)
Handstigmen -
von den Halbhandschuhen
verdeckt
 
Stigmata (Bildquelle: www.loq12.at/img/stigma_sm.jpg)


Wissenschaftliche Interpretation:

„Psychische Energie“ wird – statt z. B. in Sexualität – in die Krankheit und Heiligkeit investiert …
Hysterie, Somatisation …

Insbesondere die Handstigmata (jeweils in der Mitte des Handrückens bzw. Handtellers) befinden sich an Stellen, die aus anatomischer Sicht „unrichtig“ sind, da eine Annagelung an diesen Stellen nicht imstande wäre, das Körpergewicht zu tragen. Hingegen kann eine Beziehung zwischen der Ausbildung der Stigmata einer(-es) bestimmten Stigmatisierten und den Stellen der Nagelung an jenem Kruzifix, das er/sie für seine/ihre Andachtsübungen verwendet, nachgewiesen werden. Das allein ist ein schlagendes Indiz für die psychogene Verursachung der Stigmatisation.

Der Vorgang der Ideoplastie (eine bewußte oder auch unbewußte Idee erringt einen formgebenden Einfluss auf Teile des Organismus), der bei den Stigmatisierten zur Herausbildung und Aufrechterhaltung der Wundmale führt, wird auch in anderen Situationen wirksam, z.B. bei den bekannten „hypnotischen Brandblasen“, der eingebildeten Schwangerschaft oder anderen psychogen bedingten organischen Veränderungen.
 

Stigmatisation im Film …


*) Dieser Gebrauch des Wortes "Stigma" geht auf den kanadisch-amerikanischen Soziologen Erving GOFFMAN (1922-1982) und sein 1963 erschienenes Buch "Stigma: Notes on the Management of Spoiled Identity" (Prentice-Hall) zurück. nach oben


Hinweis:
Im Rahmen meiner Vortragsreihe „Ausgewählte Kapitel der Parapsychologie“ an der Wiener URANIA habe ich gelegentlich immer wieder den Vortrag „STIGMATISATION – TRÄGER DER WUNDMALE CHRISTI“ gehalten.


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Letzte Änderung:  25. Mai. 2014     |     Impressum     |     Parapsychologie     |     e-mail