Goethe und PSI
            

„Dergleichen liegt sehr wohl in der Natur, wenn wir auch dazu noch nicht den
rechten Schlüssel haben. Wir wandeln alle in Geheimnissen  . . .  so viel ist wohl
gewiß, daß in besonderen Zuständen die Fühlfäden unserer Seele über die
körperlichen Grenzen hinausreichen können und ihr ein Vorgefühl, ja auch ein
wirklicher Blick in die nächste Zukunft gestattet ist . . .  auch kann eine
Seele auf die andere durch bloße stille Gegenwart einwirken... unter Liebenden
ist die magnetische Kraft besonders stark und wirkt sogar sehr in die Ferne.
Ich habe in meinen Jünglingsjahren Fälle genug erlebt . . . “   Diese Worte
des Dichters umreißen, was Gegenstand dieses Nachtrags zum vergangenen
Goethejahr sein soll:  sowohl eigene parapsychologische Erlebnisse des
Meisters Johann Wolfgang von Goethe wie auch seine Ansichten darüber und
die Gegenüberstellung dieser Reflexionen nicht nur mit Ergebnissen und
Theorien der heutigen Parapsychologie, sondern mit Grundfragen der Wissen-
schaft überhaupt

 

"Unverhoffte
          Geschenke
von oben" 
               

Der geheime Rat Johann Wolfgang von GOETHE (32 KB)

       

Von W. Peter Mulacz

 

D

iesen Fall beschreibt Deutschlands Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe als ein Beispiel für die „unter Liebenden besonders starke magnetische Kraft“, die in die Ferne wirkt:

Ich habe in meinen Jünglingsjahren Fälle genug erlebt, wo auf einsamen Spaziergängen ein mächtiges Verlangen nach einem geliebten Mädchen mich überfiel und ich so lange an sie dachte, bis sie mir wirklich entgegenkam. ‚Es wurde mir in meinem Stübchen unruhig‘, sagte sie, ‚ich konnte mir nicht helfen, ich mußte hierher.‘  . . .  Ich glaubte schon damals fest an eine gegenseitige Einwirkung und daß ich durch ein mächtiges Verlangen sie herbeiziehen könne.“ Interessant ist, daß der Dichter ausdrücklich auf die besondere und intensive Gemütsstimmung hinweist (zweimal verwendet er „mächtiges Verlangen“), die er als Voraussetzung für den Erfolg eines telepathischen Befehls ansieht, wie er überhaupt derartige Phänomene den „besonderen Zuständen“ reserviert. Damit nimmt Goethe bereits vor 200 Jahren fast aufs Wort genau unsere gegenwärtige Terminologie von den „veränderten Bewußtseinszuständen“ (altered states of consciousnessASC) vorweg, die man heute als eine notwendige Vorbedingung für das Auftreten paranormaler Phänomene erkannt hat. Über diese Zustände sagt der Dichter an anderer Stelle:  Ein Gefühl aber, das bei mir gewaltig überhand nahm und sich nicht wundersam genug äußern konnte, war die Empfindung der Vergangenheit und Gegenwart in eins, eine Anschauung, die etwas Gespenstermäßiges in die Gegenwart brachte.“  Bekannt ist eine „proskopische Visualhalluzination“ wie der Wissenschaftler das einfache Wort Voraussehen umschreiben würde beim Abschied von der lieblichen Friederike Brion.
               

GOETHEs Zimmer auf dem FRAUENPLAN in WEIMAR (61 KB)

            
Lassen wir den Dichter wieder selbst sprechen:

„Als ich Friederike die Hand noch vom Pferde reichte, standen ihr die Tränen in den Augen, und mir war sehr übel zu Mute. Nun eilte ich auf dem Fußpfade gegen Drusenheim, und da überfiel mich eine der sonderbarsten Ahnungen. Ich sah nämlich, nicht mit den Augen des Leibes, sondern des Geistes, mich mir selbst denselben Weg zu Pferd wieder entgegenkommen und zwar in einem Kleide, wie ich es nie getragen:  es war hechtgrau mit etwas Gold. Sobald ich mich aus diesem Traume aufschüttelte, war die Gestalt ganz hinweg. Sonderbar ist es jedoch, daß ich nach acht Jahren in denselben Kleide, das mir geträumt hatte, und das ich nicht aus Wahl, sondern aus Zufall gerade trug, mich auf demselben Wege fand, um Friederike noch einmal zu besuchen. Es mag sich übrigens mit diesen Dingen, wie es will, verhalten, das wunderliche Trugbild gab mir in jenen Augenblicken des Scheidens eine Beruhigung . . . “

Auch hier zeigt die genaue Selbstbeobachtung Goethes bei seinem Tagtraum, daß ein „Absinken des Bewußtseinsniveaus“ (Pierre Janet:  abaissement du niveau mental) mit dem Auftreten der Präkognition verbunden war.

Des Dichters große, übrigens in der Familie gelegene Sensitivität (vgl. letzte Abbildung) ließ ihn auch — immer bei positiver Interpretation der vorhandenen Berichte, die aber aufgrund der angeführten Selbstbeobachtungs-Elemente durchaus geboten erscheint — eines der Erdbeben von Messina über große räumliche Distanz mitempfinden, mitfühlen, ein immer wieder zitierter Fall.

Unvergleichlich bedeutender, ja geradezu kardinal für das Schaffen des Dichters — das übrigens von einem interessanten Siebenjahresrhythmus gekennzeichnet ist — war sein Bewußtseinszustand während des Verfassens seiner Werke, den man mit „traumhaft“ oder „inspiriert“ nur recht unvollkommen wiedergeben würde. Aus einigen Selbstzeugnissen dazu:  „Auch mach’ ich manches in der Dumpfheit, das wohl das beste ist.“ „Zwischen so einer Stunde, wo die Dinge so lebendig in mir werden und meinem Zustand in diesem Augenblick, wo ich jetzt schreibe, ist ein Unterschied wie Traum und Wachen.“ „. . .  es war mir einigemal begegnet, daß das Schnarren und Spritzen der Feder mich aus meinem nachtwandlerischen Dichten aufweckte, mich zerstreute und ein kleines Produkt in der Geburt erstickte.“
„.
. Wilhelm Meister. Da ich dieses Werklein, sowie meine übrigen Sachen, als Nachtwandler geschrieben ...“
Und ein letztes Zitat, das die Art und Weise der Produktionen Goethes vollends mit denen „psychomotorischer Automatisten“ gleichzusetzen gebietet (wie überhaupt die „Kreativität eine Schwester der Medialität“ sein mag, wie das der programmatische Titel einer älteren Publikation behauptet):  
„. . .  so daß ich sie auf der Stelle instinktmäßig und traumartig niederzuschreiben mich getrieben fühlte. In solchem nachtwandlerischen Zustande geschah es oft, daß ich einen ganz schief liegenden Papierbogen vor mir hatte, und daß ich dieses erst bemerkte, wenn alles geschrieben war, oder wenn ich zum Weiterschreiben keinen Platz fand.“
Zunächst hielt Goethe dies für eine geradezu göttliche Inspiration (wie übrigens auch Brahms das Zustandekommen seiner Kompositionen interpretierte):
„. . .  sehe, daß nicht mein Wille, sondern der Wille einer höheren Macht geschieht, deren Gedanken nicht meine Gedanken sind“,
„. . .  unverhoffte Geschenke von oben, reine Kinder Gottes“,
„.
. .  als ein Werkzeug einer höheren Weltregierung, als ein würdig befundenes Gefäß zur Aufnahme eines göttlichen Einflusses.“
Doch in den letzten Lebensjahren vermochte er diese Begabung auch willentlich zu steuern: „Durch eine geheime psychologische Wendung, welche vielleicht studiert zu werden verdient, glaube ich mich zu einer Art von Produktion erhoben zu haben, welche bei völligem Bewußtsein dasjenige hervorbrachte, was ich jetzt noch selbst billige, ohne vielleicht jemals in diesem Flusse wieder schwimmen zu können, ja was Aristoteles und andere Prosaisten einer Art von Wahnsinn zuschreiben würden.“
Diese Aussage erinnert an die Spekulation van der Leeuws (1), daß sich auf einem evolutiv noch zukünftigen Niveau die Fülle paranormaler Phänomene, wie sie mit gewissen veränderten Bewußtseinszuständen verbunden ist, mit dem Zustand von Klarheit, Wachheit, intellektueller Kapazität rational-logischer Art verbinden werde.  
                

Der Pfarrershaushalt BRION (33 KB)

Beim Abschied von Friederike
Brion (re.), seiner

großen Liebe während der
Studentenzeit in Straßburg
(unten ein Eintrag in
Goethes Stammbuch von ihrer
Hand, den sie mit
„eine ihrer besten und
treuesten Freundinnen“
unterzeichnete), hatte Goethe
eine Vision, in der
er sich selbst zu Friederike
zurückreiten sah (li.
die Pfarrerstochter mit
ihren Eltern, im
Hintergrund Goethe zu Pferde)

Friederike BRION (7 KB)

Friederike BRIONs Eeintrag in GOETHEs Stammbuch (11 KB)

             
Die „Lust zu fabulieren“ schlägt sich nicht nur im sprachlichen Element, sondern auch in der zeichnerisch-malerischen Begabung Goethes nieder (während sein musikalisches Empfinden mittelmäßig war). Diesem Künstler Goethe läßt sich der Denker und Forscher, der Philosoph und der Naturwissenschaftler Goethe gegenüberstellen (womit die Gesamtpersönlichkeit noch lange nicht ausgelotet ist, vergleicht man bloß sein beamtetes bzw. politisches Wirken). Hier, beim Denker, aber ist der Platz, auf Goethes Ansichten vom Fortleben nach dem Tode hinzuweisen.

Der österreichische Parapsychologe Daniel Walter spricht in diesem Zusammenhang von einem naturhistorischen Weltbild, dem der Unsterblichkeitsglaube als organischer Bestandteil fest eingegliedert ist. Wohl erweist sich Goethe auch auf diesem Gebiet als Eklektiker, doch nur insofern, als er fremde Anschauungen über das Fortleben nach dem Tode, wie er sie bei Paracelsus und Giordano Bruno, später hei Spinoza, Leibniz, Lessing und Herder fand, dazu benutzte, seine eigenen Grundanschauungen, wie sie ihm organisch erwuchsen, gelegentlich sozusagen philosophisch aufzuputzen und durch andere Autoritäten zu stützen. Er entlehnt ab und zu fremde Ausdrucksweise, z. B. Fachausdrücke der Philosophie, wie „Entelechie“ und „Monade“, erfüllt sie aber mit seinem Geiste und läßt sie nur dem Zweck dienen, seine eigenen Anschauungen gewissermaßen in ein ihn wissenschaftlicher dünkendes Gewand zu kleiden. Dieselben Ansichten äußert er aber auch in dichterischen Werken der Prosa und der Poesie, teils Personen in den Mund gelegt, wie z. B. im „Werther“: „Ich träume nicht, ich wähne nicht. Nahe am Grabe wird mir es heller. Wir werden sein! Wir werden uns wiedersehen! . . .   Zu Müller sagt er:  „Den Beweis der Unsterblichkeit muß jeder in sich selbst tragen, außerdem kann er nicht gegeben werden. Wohl ist alles in der Natur Wechsel, aber hinter dem Wechsel ruht ein Ewiges.“  Daß die Fortdauer für Goethe ein Postulat der praktischen Vernunft war, zeigt folgende Strophe aus den „Zahmen Xenien “:

„Du hast Unsterblichkeit im Sinn!
Kannst Du
uns Deine Gründe nennen?
Gar wohl,
der Hauptgrund liegt darin,
Daß wir sie nicht entbehren können.“
          

Aus der Farbenlehre (14 KB)

Zwischenkieferknochen (6 KB)

Dem Künstler läßt sich der
Denker und Forscher,
der Philosoph
und der Naturwissenschaf
tler
Goethe gegenüberstellen:

u. a. entdeckte er den
Zwischenkieferknochen (o. eigen
-
händige Zeichnungen),
entwickelte eine eigene optische Theorie (
li.
Tafel zur Farbbrechung aus dem
1. Band der „Farbenlehre‘).

Unten ein Blatt mit
physiognomischen

Handzeichnungen aus Goethes
Korrespondenz mit
dem Z
üricher Pfarrer und
Philosophen Lavater

Zur Physiognomie (12 KB)

Und aus dem Westöstlichen Diwan kann man entnehmen*:

„Lange hab ich mich gesträubt
Endlich gab ich nach.
Wenn der alte Mensch zerstäubt
Wird der neue wach.“

Diese Zitate ließen sich durch zahllose weitere vermehren, darunter auch nicht wenige, die nahelegen, daß Goethe zumindest zeitweise dem Gedanken der Reinkarnation nahestand, z. B. das berühmte Wort:

 „. . .  Ach, du warst in abgelebten Zeiten
Meine Schwester oder meine Frau.“

Gesprächsweise meint er, er habe bestimmt schon unter Hadrian gelebt, alles Römische ziehe ihn unwillkürlich an ...

„Kein Wesen kann zu nichts zerfallen!
Das Ew‘ge regt sich fort in allen;
Am Sein erhalte Dich beglückt!
Das Sein ist ewig; denn Gesetze
Bewahren die lebend‘gen Schätze
Aus welchen sich das All geschmückt.

„Alles ist neu und doch immer das Alte. Die Natur verwandelt sich ewig, und ist kein Moment Stillstehen in ihr. Fürs Bleiben hat sie keinen Begriff und ihren Fluch hat sie ans Stillestehen gehängt.“  An dem damit im Zusammenhang stehenden Zitat  „Soviel aber läßt sich behaupten, daß, wenn ein organisches Wesen in die Erscheinung tritt, Einheit und Freiheit des Bildungstriebes ohne den Begriff der Metamorphose nicht zu fassen ist“ zeigt sich sehr schön die Wechselwirkung zwischen rein philosophischer Reflexion und konkreter naturwissenschaftlicher Forschung (auch wenn diese, wie bei Goethes Arbeiten über die Metamorphosen der Pflanzen, theoretisch-spekulativ gehalten ist). Sie ist ein Gegenstück zu der seit Beginn unseres Jahrhunderts besonders bei den theoretischen Physikern ausgeprägten Tendenz, ihre fachliche Arbeit in größerem naturphilosophischem Zusammenhang zu überdenken.

Diesen Metamorphose-Gedanken faßt Goethe unübertrefflich zusammen im Faust:

 „. . .  Gestaltung, Umgestaltung
Des ewigen Sinnes ewige Unterhaltung.“

Hinsichtlich dieses unübertrefflichen Werkes muß wieder mehr auf Äußerliches zu unserem Thema eingegangen werden:  auf die mannigfaltigen Beziehungen, die sich an zahlreichen verschiedenen Stellen des Faustdramas zur Parapsychologie ergeben  – freilich nicht zur Parapsychologie im modernen Sinn als Experimentalwissenschaft, sondern im kulturhistorischen Sinn, vermittelt durch die Tradition der abendländischen Magie.
        

Erhebt die Magie den Anspruch, Phänomene hervorzubringen, die nach heutiger Terminologie Gegenstand der Parapsychologie sind, so kann umgekehrt die Parapsychologie vieles aus dem Gedankengut der alten Magie als bloß pseudo-parapsychologisch nachweisen, z. B. als Suggestion, oft in anderen Bewußtseinszuständen (etwa einer leichten Hypnose), oder schlicht als Aberglaube, als Mißverständnis. Diese aufklärerische Rolle der Parapsychologie unter voller Wahrung ihres eigenen Anspruches (d. h. des echten Kernes, der Existenz echter Para-Phänomene) ist eine wichtige Aufgabe der Parapsychologie (Bender:  „Positive Kritik des Aberglaubens“), die im Sinne der psychischen Hygiene zur Vermeidung abergläubischer Überhöhungen stets begleitend neben der Forschungstätigkeit erfüllt werden muß.

Beispiele für den magischen Gehalt des „Faust“ sind Legion. Wahllos herausgegriffen:  das Zitieren des Erdgeistes, die Szene in Auerbachs Keller, Walpurgisnacht, Hexenküche, ja das Motiv des Teufelspaktes überhaupt. Der Versuch einer parapsychologischen Interpretation dieser Elemente muß widersprüchlich enden: soll man etwa die Helena-Phantasmagorie als Halluzination (vielleicht als telepathisch induzierte) ansehen oder als Materialisation (falls es so etwas überhaupt gibt, eine Frage, über die sich bekanntlich die Parapsychologen nicht einig sind. Aber selbst wenn wir uns auf den bejahenden Standpunkt stellen und das Phänomen generell zugeben, ist die konkrete Deutung der Helena-Szenen problematisch.)?

All dies – was darzustellen, ja bloß vollständig aufzuzählen der Raum fehlt – führt zu der Frage, wie denn Goethe dazu kam, solche „parapsychologischen“ Elemente im Faust zu verwenden. Und zur Frage, was wohl, neben den bekannten Faustbüchern, sein Material war, insbesondere das grundlegende Material. Dazu gibt es wieder autobiographische Darstellungen, die z. B. Goethes Heilung durch „Geheimmittel“ und in weiterer Folge seine zumindest literarische Hinwendung zu Geheimwissenschaften und sein Studium derartiger Werke belegen (Wellings opus mago-cabbalisticum, Theophrastus Paracelsus, Basilius Valentinus, van Helmont, Starkey u. a.), was freilich nicht bloß theoretisch blieb, sondern auch eigene chemisch-alchemistische Versuche einschloß.   
                      

Erdgeist (38 KB)

AUERBACHs Keller (16 KB)

Beispiele für den magischen
Gehalt des Faust:  die
„Erscheinung des Erdgeistes“
(Ii. in eigenhändiger
Bleistiftskizze des Dichters),
die Szenen in Auerbachs
Keller (o. Stahlstich
des Faßritts, um 1850), Hexen-
küche, Walpurgisnacht,
sowie der Teufelspakt überhaupt

             
Das ist aber zweifellos nur die exoterische Seite des Komplexes Magie:  was die esoterische Seite betrifft, muß der Hinweis genügen, daß eine derartige Interpretation nicht bloß möglich ist, sondern z. B. von Henri Birven
auch durchgeführt wurde („Goethe‘s Faust und der Geist der Magie“). Genauso läßt sich dem polar – und aus der Spannung dieser Polarität lebt die menschliche Persönlichkeit – „Goethe als Mystiker“ entgegenstellen und mit Zitaten belegen, z. B.:          

„Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis,
Das Unzulängliche, hier wird‘s Ereignis,
Das Unbeschreibliche, hier ist es getan;
Das Ewigweibliche zieht uns hinan.“

Sollte man aber – wenn sich schon Faust „der Magie ergeben“ hat – darunter, wie manche Interpreten, ein Gleichnis für die abendländische Naturwissenschaft sehen wollen (was sicher auch möglich ist, hier ist vieles gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen gegeben)? Dann sollten wir zum Schluß noch ein paar kurze Überlegungen zum „Goethe als Naturwissenschaftler“ anstellen. Dabei geht es nicht um seine eigene Einstellung zu seinen Leistungen (bekanntlich hat er selbst die Entdeckung des Zwischenkieferknochens höher eingestuft als sein dichterisches Schaffen), sondern es geht um Fragen prinzipieller Einstellung, wie Wissenschaft funktionieren soll, um Erkenntnis von der Natur gewinnen bzw. vermitteln zu können.   

Vor allem an der Farbenlehre, teils auch an den Pflanzenmetamorphosen hängen Wissenschaftshistoriker den Unterschied der Goetheschen „Naturwissenschaft“ zu der heute betriebenen Naturwissenschaft auf. Sie koppeln dabei gerne den Gegensatz GoetheNewton mit dem Gegensatz bedeutungsloserfolgreich, ja, überhaupt unwissenschaftlichwissenschaftlich.          
            

GOETHEs Vater (73 KB)

      
Derartige Gegensätze erscheinen insbesondere dann fraglich, wenn man von der Geschichte oder auch der Theorie einer Wissenschaft wie der Parapsychologie ausgeht:  Obwohl sie sich bisher im Chor der Wissenschaften als recht erfolglos erwiesen hat, konnte sie doch ihre Ansprüche (z. B. hinsichtlich der Echtheit behaupteter Phänomene) immer wieder erhärtender „Erfolgsnachweis“ scheint also ein fragwürdiges Kriterium (2) zu sein. In der Gegenwart gibt es denn auch mehrfach Ansätze zur Vermittlung der Gegensätze:  etwa in der Frage des Physikers Pietschmann, wie wir heute den von der Wissenschaft geschaffenen Widerspruch zwischen Objektivität und Subjektivität wieder integrieren können in eine Neukonzeption der Wissenschaft, die die anstehenden Probleme lösen kann.

Ein Spiegel für diese Subjekt-Objekt-Spaltung ist die Differenz zwischen der „subjektiven“ Methode Goethes und der „objektiven“ Methode Newtons. Jedoch ging auch Goethe dabei durchaus „objektiv“ (richtiger: „intersubjektiv“) vor, verzichtet dabei aber auf den vielfach zerstörenden Eingriff in die Natur und beschränkt sichim weitesten Sinneaufs „Schauen“. Damit integriert er die Subjektivität des Wahrnehmenden in das Gesamtphänomen. Das bedeutet eine ungeheure Aktualität dieses Denkansatzes, der gerade von wissenschaftstheoretisch eher progressiven Kreisenfreilich ohne Goethe zu nennenvehement vertreten wird.          
  


*)  Achtzehn Jahre, nachdem ich diesen Artikel verfaßt habe, bin ich dann von Lothar Müller-Güldemeister darauf aufmerksam gemacht worden, daß dieses Zitat nicht aus dem West-östlichen Divan stammt. Ich habe das aufgrund dieser Mitteilung für eine Fehlinformation gehalten, welcher ich in der von mir benutzten Literatur selbst aufgesessen sei. Weitere Recherchen haben jedoch ergeben, daß sich diese Zusatzstrophe zu dem Gedicht Selige Sehnsucht sehr wohl im Divan befindet, allerdings (nur?) in der Sophienausgabe, aber nicht in der heutzutage aktuellen Referenzausgabe (Karl Eibl: Johann Wolfgang Goethe. Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche). 

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1)  Von W. H. C. Tenhaeff im Sammelband O. Schatz „Parapsychologie. Ein Handbuch“ (Styria Vlg. 1976) zitiert.  

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2)  Abgesehen davon, daß die zweifelsfrei vorhandenen „Erfolge“ der Naturwissenschaft erkauft sind mit daraus resultierenden permanenten Bedrohungen:  Umweltzerstörung, nukleare Rüstung usw.der Saldo scheint also nicht mehr so positiv zu sein wie auf den ersten Blick.   

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Berichte über Sensitivität in GOETHEs Familie (127 KB)

         
Alle Abbildungen:  esotera bzw.
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