Goethe und PSI |
„Dergleichen
liegt sehr wohl in der Natur, wenn wir auch dazu noch nicht den
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"Unverhoffte
Geschenke
von oben"
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Von W. Peter Mulacz
„Als
ich Friederike die Hand
noch
vom Pferde reichte, standen ihr die Tränen in den Augen, und mir war
sehr übel zu Mute. Nun eilte ich auf dem Fußpfade gegen Drusenheim,
und da überfiel mich eine der sonderbarsten Ahnungen. Ich sah nämlich,
nicht
mit den Augen des Leibes, sondern des Geistes, mich mir selbst denselben
Weg zu Pferd wieder entgegenkommen und zwar in einem Kleide, wie ich es
nie getragen: es war hechtgrau mit etwas Gold. Sobald ich mich aus
diesem Traume aufschüttelte, war die Gestalt ganz hinweg. Sonderbar ist
es jedoch, daß ich nach acht Jahren in denselben Kleide, das mir geträumt
hatte, und das ich nicht aus Wahl, sondern aus Zufall gerade trug, mich
auf demselben Wege fand, um Friederike noch einmal zu besuchen. Es mag
sich übrigens mit diesen Dingen, wie es will, verhalten, das
wunderliche Trugbild gab mir in jenen Augenblicken des Scheidens eine
Beruhigung . . . “
Auch
hier zeigt die genaue Selbstbeobachtung Goethes bei seinem Tagtraum, daß
ein „Absinken des Bewußtseinsniveaus“ (Pierre Janet:
abaissement
du niveau mental) mit dem Auftreten der Präkognition verbunden
war.
Des
Dichters große, übrigens in der Familie gelegene Sensitivität (vgl.
letzte Abbildung) ließ ihn auch — immer bei positiver Interpretation
der vorhandenen Berichte, die aber aufgrund der angeführten
Selbstbeobachtungs-Elemente durchaus geboten erscheint — eines der
Erdbeben von Messina über große räumliche Distanz mitempfinden, mitfühlen,
ein immer wieder zitierter Fall.
Unvergleichlich
bedeutender, ja geradezu kardinal für das Schaffen des Dichters — das
übrigens von einem interessanten Siebenjahresrhythmus gekennzeichnet
ist — war sein Bewußtseinszustand während des Verfassens seiner
Werke, den man mit „traumhaft“ oder „inspiriert“ nur
recht unvollkommen wiedergeben würde. Aus einigen Selbstzeugnissen
dazu:
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Beim
Abschied von Friederike |
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Der
österreichische Parapsychologe Daniel
Walter spricht in diesem Zusammenhang von einem
naturhistorischen Weltbild, dem der Unsterblichkeitsglaube als
organischer Bestandteil fest eingegliedert ist. Wohl erweist sich Goethe
auch auf diesem Gebiet als Eklektiker, doch nur insofern, als er fremde
Anschauungen über das Fortleben nach dem Tode, wie er sie bei Paracelsus
und Giordano Bruno,
später hei Spinoza,
Leibniz, Lessing und Herder
fand, dazu benutzte, seine eigenen Grundanschauungen, wie sie
ihm organisch erwuchsen, gelegentlich sozusagen philosophisch
aufzuputzen und durch andere Autoritäten zu stützen. Er entlehnt ab
und zu fremde Ausdrucksweise, z. B. Fachausdrücke der Philosophie, wie
„Entelechie“ und „Monade“, erfüllt sie aber mit seinem Geiste
und läßt sie nur dem Zweck dienen, seine eigenen Anschauungen
gewissermaßen in ein ihn wissenschaftlicher dünkendes Gewand zu
kleiden. Dieselben Ansichten äußert er aber auch in dichterischen
Werken der Prosa und der Poesie, teils Personen in den Mund gelegt, wie
z. B. im „Werther“: „Du hast Unsterblichkeit
im Sinn! |
Dem Künstler
läßt sich der |
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Und aus dem Westöstlichen Diwan
kann man entnehmen*: „Lange hab ich mich
gesträubt Diese
Zitate ließen sich durch zahllose weitere vermehren, darunter auch
nicht wenige, die nahelegen, daß Goethe zumindest zeitweise dem
Gedanken der Reinkarnation nahestand, z. B. das berühmte Wort: „.
. . Ach, du warst in abgelebten
Zeiten Gesprächsweise
meint er, er habe bestimmt schon unter Hadrian gelebt, alles Römische
ziehe ihn unwillkürlich an ... „Kein Wesen kann zu nichts zerfallen! „Alles
ist neu und doch immer das Alte. Die Natur verwandelt sich ewig, und ist
kein Moment Stillstehen in ihr. Fürs Bleiben hat sie keinen Begriff und
ihren Fluch hat sie ans Stillestehen gehängt.“
An
dem damit im Zusammenhang stehenden Zitat „Soviel
aber läßt
sich behaupten, daß, wenn ein
organisches Wesen in die Erscheinung tritt, Einheit und Freiheit des
Bildungstriebes ohne den Begriff der Metamorphose nicht zu fassen ist“
zeigt sich sehr schön die Wechselwirkung zwischen rein
philosophischer Reflexion und konkreter naturwissenschaftlicher
Forschung (auch wenn diese, wie bei Goethes Arbeiten über die
Metamorphosen der Pflanzen, theoretisch-spekulativ gehalten ist). Sie
ist ein Gegenstück zu der seit Beginn unseres Jahrhunderts besonders
bei den theoretischen Physikern ausgeprägten Tendenz, ihre fachliche
Arbeit in größerem naturphilosophischem Zusammenhang zu überdenken. Diesen
Metamorphose-Gedanken faßt Goethe unübertrefflich zusammen im Faust: „.
.
.
Gestaltung, Umgestaltung Hinsichtlich
dieses unübertrefflichen Werkes muß wieder mehr auf Äußerliches zu
unserem Thema eingegangen werden: auf die mannigfaltigen
Beziehungen, die sich an zahlreichen verschiedenen Stellen des
Faustdramas zur Parapsychologie ergeben –
freilich nicht zur Parapsychologie im modernen Sinn als
Experimentalwissenschaft, sondern im kulturhistorischen Sinn, vermittelt
durch die Tradition der abendländischen Magie. |
Erhebt die
Magie den Anspruch, Phänomene hervorzubringen, die nach heutiger Terminologie Gegenstand
der Parapsychologie sind, so kann umgekehrt die Parapsychologie vieles
aus dem Gedankengut der alten Magie als bloß pseudo-parapsychologisch
nachweisen, z. B. als Suggestion, oft in anderen Bewußtseinszuständen
(etwa einer leichten Hypnose), oder schlicht als Aberglaube, als
Mißverständnis. Diese aufklärerische Rolle der Parapsychologie unter
voller Wahrung ihres eigenen Anspruches (d. h. des echten Kernes, der
Existenz echter Para-Phänomene) ist eine wichtige Aufgabe der
Parapsychologie (Bender:
„Positive Kritik des Aberglaubens“), die im Sinne der
psychischen Hygiene zur Vermeidung abergläubischer Überhöhungen stets
begleitend neben der Forschungstätigkeit erfüllt werden muß. Beispiele
für den magischen Gehalt des „Faust“ sind Legion. Wahllos
herausgegriffen: das
Zitieren des Erdgeistes, die Szene in Auerbachs Keller, Walpurgisnacht,
Hexenküche, ja das Motiv des Teufelspaktes überhaupt. Der Versuch
einer parapsychologischen Interpretation dieser Elemente muß
widersprüchlich enden: soll man etwa die Helena-Phantasmagorie als
Halluzination (vielleicht als telepathisch induzierte) ansehen oder als
Materialisation (falls es so etwas überhaupt gibt, eine Frage, über
die sich bekanntlich die Parapsychologen nicht einig sind. Aber selbst
wenn wir uns auf den bejahenden Standpunkt stellen und das Phänomen
generell zugeben, ist die konkrete Deutung der Helena-Szenen
problematisch.)? All
dies – was darzustellen, ja bloß vollständig aufzuzählen der Raum
fehlt – führt zu der Frage, wie denn Goethe dazu kam, solche „parapsychologischen“
Elemente im Faust zu verwenden. Und zur Frage, was wohl, neben den
bekannten Faustbüchern, sein Material war, insbesondere das
grundlegende Material. Dazu gibt es wieder autobiographische
Darstellungen, die z. B. Goethes Heilung durch „Geheimmittel“ und in
weiterer Folge seine zumindest literarische Hinwendung zu
Geheimwissenschaften und sein Studium derartiger Werke belegen (Wellings
opus mago-cabbalisticum, Theophrastus
Paracelsus,
Basilius Valentinus,
van Helmont, Starkey
u. a.), was freilich nicht bloß theoretisch blieb, sondern auch
eigene chemisch-alchemistische Versuche einschloß. |
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Beispiele
für den magischen |
Sollte man aber – wenn sich schon Faust „der Magie ergeben“ hat – darunter, wie manche Interpreten, ein Gleichnis für die abendländische Naturwissenschaft sehen wollen (was sicher auch möglich ist, hier ist vieles gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen gegeben)? Dann sollten wir zum Schluß noch ein paar kurze Überlegungen zum „Goethe als Naturwissenschaftler“ anstellen. Dabei geht es nicht um seine eigene Einstellung zu seinen Leistungen (bekanntlich hat er selbst die Entdeckung des Zwischenkieferknochens höher eingestuft als sein dichterisches Schaffen), sondern es geht um Fragen prinzipieller Einstellung, wie Wissenschaft funktionieren soll, um Erkenntnis von der Natur gewinnen bzw. vermitteln zu können. Vor
allem an der Farbenlehre, teils auch an den Pflanzenmetamorphosen
hängen Wissenschaftshistoriker den Unterschied der Goetheschen „Naturwissenschaft“
zu der heute betriebenen Naturwissenschaft auf. Sie koppeln dabei gerne
den Gegensatz Goethe
– Newton mit dem Gegensatz bedeutungslos – erfolgreich, ja, überhaupt unwissenschaftlich
– wissenschaftlich. |
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Ein
Spiegel für diese Subjekt-Objekt-Spaltung ist die Differenz zwischen
der „subjektiven“ Methode Goethes und der „objektiven“ Methode
Newtons. Jedoch ging auch Goethe dabei durchaus „objektiv“
(richtiger: „intersubjektiv“) vor, verzichtet dabei aber auf den
vielfach zerstörenden Eingriff in die Natur und beschränkt sich
– im weitesten Sinne
– aufs „Schauen“. Damit integriert er die Subjektivität
des Wahrnehmenden in das Gesamtphänomen. Das bedeutet eine ungeheure
Aktualität dieses Denkansatzes, der gerade von wissenschaftstheoretisch
eher progressiven Kreisen – freilich ohne Goethe zu nennen – vehement vertreten wird.
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[Zurück] 2)
Abgesehen davon, daß die zweifelsfrei vorhandenen „Erfolge“
der Naturwissenschaft erkauft sind mit daraus resultierenden permanenten
Bedrohungen: Umweltzerstörung, nukleare Rüstung usw.
– der Saldo scheint also nicht mehr so positiv zu sein wie auf
den ersten Blick. [Zurück] |
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