Reg.-Rat Ing. Lambert Binder
(1905 - 1981)

 
Exkurs zu Richard Teschner

Biographisches

Richard Teschner (22 03 1879 - 04 07 1948)

Anmerkungen zu Werk und Wirkung

Teschner war ein sehr bemerkenswerter, höchst eigenständiger Vertreter des Wiener Jugendstils. Aufgrund der väterlichen Druckerei naheliegend, widmete er sich zunächst der Druckgraphik, wobei er sehr bald eigene Methoden entwickelte (die Handätzung), welche völlig neue Effekte erlaubten. Er war nicht nur Graphiker (mit Buchillustrationen und Exlibris-Entwürfen), sondern auch Maler und Bildhauer und schuf Ölbilder und Kleinplastiken.

Seit er die javanischen Stabpuppen (wayang kulit und wayang golek) kennengelernt hatte, war er gleichsam vom Puppenspiel besessen und startete, wie man heute sagen würde, seine zweite Karriere damit.

Exkurs zu den javanischen Puppen:

Wayang bedeutet in Bahasa Indonesia eigentlich Schatten oder Geist, in weiterer Folge auch den Schauspieler, der auf einer Bühne auftritt und eine bestimmte Person repräsentiert, oder eine Puppe in einem Puppen- oder Schattentheater, welche auf Java in Form  einer Stabpuppe ausgebildet ist, welche im Gegensatz zu den europäischen Marionetten nicht an Schnüren von oben hängt, sondern vom Puppenspieler an Stäben von unten geführt wird, was wesentlich mehr Effekte erlaubt. Das javanische Puppentheater wird häufig von einem Gamelan-Orchester begleitet (Gamelan kann man etwa als ein Glockenspiel beschreiben, korrekter wäre: ein Spiel von Gongs), es handelt sich zumeist um eine Pantomime, unter Umständen gibt es auch einen Erzähler.

Wayang kulit ist eine zweidimensionale, aus Leder verfertigte Puppe (kulit heißt Haut, demgemäß ist z. B. der Doktor kulit der Hautarzt), die für das Schattentheater Verwendung findet - die Zuschauer sitzen hinter einer Leinwand und erblicken nur die aufgrund der Entfernung von der Lichtquelle stark vergrößerten Schatten der Puppen, welche jenseits dieser Leinwand geführt werden.

Wayang golek ist die dreidimensionale Puppe, ebenfalls eine Stabpuppe.

Wayang orang schließlich ist der (menschliche) Schauspieler (orang ist der Mensch, bekannt von der Bezeichnung Orang utan, was Waldmensch bedeutet).

Teschner war eine einzigartige Vielfachbegabung. Er baute nicht nur (hintereinander) die beiden Puppenbühnen, er gestaltete alle Puppen und deren Kostüme selbst in höchst künstlerischer Weise aus den unterschiedlichsten Materialien, er entwarf und baute auch die gesamte technische Einrichtung hinter der Bühne und gestaltete die musikalische Begleitung (vor allem, aber nicht nur, durch einen auf einen gamelan-ähnlichen Klang umgebauten Polyphon, einem lochscheiben-gesteuerten, federwerkbetriebenen Musikautomaten). Für die Dekorationen und die Lichteffekte hatte er innovative Ideen, so z. B. den ersten projizierten Wandelprospekt, wobei manche der zu projizierenden Bilder auf dünne Bakelitscheiben graviert sind.
Im Kontext einer der Leitideen des Jugendstils, des Gesamtkunstwerks, kann mit Fug und Recht gesagt werden, das Teschner in seinem Figurenspiegel ein solches Gesamtkunstwerk gelungen ist.

Habe ich bis jetzt nur die kunsthandwerklich-gestalterische und die ingenieurmäßig-technische Seite beleuchtet, so kommt noch dazu, daß Teschner ja seine Stücke selbst gestaltet hat - mit einer Unzahl von symbolischen Anspielungen, welche auch auf den, der sie nicht rational übersetzen kann, eine ganz eigene Anziehungskraft ausüben: nicht umsonst hat man Teschner als den Magier von Gersthof bezeichnet. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn der Autor einer Teschner-Seite (siehe Links) schreibt, Teschner hat »ein theatralisches Gesamtkunstwerk, einen magischen Mikrokosmos, der weltweit seinesgleichen sucht« geschaffen. Obendrein war Teschner, von seinen Assistentinnen unterstützt, selbst auch der Puppenspieler.

Zu den Besuchern von Teschners Figurenspiegel gehörte wohl das ganze kulturell und künstlerisch interessiere Wien seiner Zeit. Namentlich herausgreifen möchte ich nur Alfred Roller und Remigius Geyling aufgrund derer Bedeutung für das Bühnenbild der großen Theater.

Ein kurzes Wort zur oben angeschnitten Symbolik, die sich in Teschners Werk findet:
er benützt Elemente der Tradition, setzt sich aber auch mit den Einflüssen der Theosophie à la Blavatsky (und auch der Anthroposophie) auseinander, etwa in den drei Ölgemälden der drei Kulturrassen, oder in der Gestaltung bzw. Farbgebung des Erzengel Gabriels (einer Puppe in seinem Weihnachtspiel); aus den traditionell vier Hirten der Krippe werden in Teschners Weihnachtsspiel drei, und zwar der Romane, der Germane und der Slawe. Es wäre interessant, einmal gezielt dem Okkulten in Teschners Schaffen nachzuspüren.

Nach Teschners Tod führten seine Assistentinnen das Puppenspiel zunächst bis zum Tod seiner Witwe (1953) fort, später in der Theatersammlung der Österreichischen Nationalbibliothek, wo bis 1965 gespielt wurde. Dann gab es eine jahrelange Pause. Den Goldenen Schrein habe ich während dieser Jahre als besonderes Schmuckstück des Direktionszimmers von Hofrat Hadamowsky in der Hofburg - wo damals die Theatersammlung untergebracht war - gesehen. Gegen Ende der 80er-Jahre hat sich die Situation verbessert, es kam zu einer Neubelebung der Spieltradition, und 1991, nachdem aus der Theatersammlung der ÖNB das Österreichische Theatermuseum geworden war, wurde in dessen Räumlichkeiten im Palais Lobkowitz ein Teschner-Raum gestaltet, wo der Figurenspiegel regelmäßig bespielt wird. Die treibenden Kräfte waren damals Jarmila Weißenböck und Klaus Behrendt. Frau Weißenböck ist durch einen Schlaganfall aus vollster Arbeit gerissen worden und nach einem zweiten Schlaganfall vor kurzem verstorben. Prof. Behrendt, obwohl mittlerweile in Pension, hält nach wie vor die (höchst empfehlenswerten) Teschner-Jour fixes, er ist ein wandelndes Lexikon und ein Erzähler von Gnaden. Ich kann dem Autor der Website (siehe Links) nur zustimmen, wenn er über Teschner sagt: »Bis heute ist sein Figurenspiegel, das Puppentheater mit dem er Weltgeltung erlangte, von ungebrochener Faszination, mit Bildern von einzigartiger Schönheit und suggestiver Wirkung.«

Dennoch wäre es unrecht, über der Strahlkraft seines Puppentheaters den Graphiker, Maler und Bildhauer Teschner zu übersehen - eine einzigartige, außerordentlich faszinierende Künstlerpersönlichkeit! 

Literatur (Auswahl)

Arthur Roessler: Richard Teschner. Wien 1947.

Franz Hadamowsky (Hg.): R. Teschner und sein Figurenspiegel. Wien 1956.

Jarmila Weißenböck (Hrsg.): Der Figurenspiegel. Richard Teschner. Wien 1991.

Links

AEIOU - Achtung, die Beschreibung des Figurenspiegels ist falsch
Österreichisches Theatermuseum - Theatermuseum/Teschner
KHM
Teschner in der Österreichische Exlibris-Gesellschaft
 

© Peter Mulacz

 


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