Peter Mulacz - Österreich. Gesellschaft f. Parapsychologie

 

Richtigstellungen

zu dem Artikel von Gerhard Heindl: 70 Jahre "Österreichische Gesellschaft

für Parapsychologie und Grenzbereiche der Wissenschaften"

von W. Peter MULACZ

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Ich glaube, es dem Andenken der Gräfin Wassilko schuldig zu sein, der Darstellung Heindls entgegentreten zu müssen, welche insbesondere die Ereignisse im Vorfeld der Gründung der damaligen Österreichischen Gesellschaft für Psychische Forschung vielfach schief wiedergibt, aber auch sonst zahlreiche Fehler aufweist, von denen hier nur ein kleiner Teil richtiggestellt werden kann.

Wenn Heindl meint, die Gesellschaft sei "aus der Untersuchung sogenannter ‚physikalischer Medien‘ in der Wohnung des ... Psychiaters Edmund Holub ... und am Institut des ... Physikers ... Hans Thirring ... hervorgegangen", so ist das in dieser Form nicht haltbar. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Primarius Holub schon 1924 verstorben ist, angeblich infolge Schlaganfalls aufgrund von Aufregung über den Pressebericht über die Meyer-Przibram-"Entlarvung" des Mediums Rudi Schneider. Bereits 1925 ist, noch in direkter Folge der Schneider-Sitzungen, ein erster Versuch zur Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft gemacht worden, und zwar mit der Witwe Holub, Gräfin Wassilko und anderen als Mitglieder eines Proponentenkomitees zwecks Gründung einer "Gesellschaft für Medienforschung", welche jedoch von der Vereinsbehörde (aufgrund eines Gutachtens des berühmten Psychiaters Wagner-Jauregg) untersagt worden ist. Seit damals ist Gräfin Wassilko die treibende Kraft der Gesellschaftsgründung geblieben, wie sie dann auch die "Seele der Gesellschaft" gewesen ist, die durch (cum grano salis) 38 Jahre das Generalsekretariat innehatte.

Gräfin Wassilko hat sich bei der Untersuchung des aus München nach Wien gekommenen (betrügerischen) Mediums Kraus alias Weber im Physikalischen Institut der Universität Wien unter Thirring als kritische Beobachterin erwiesen, der schon bald eine Entlarvung des Kraus gelang, wobei sie imstande war, seine "Phänomene" nachzumachen.

Seit Jänner 1926 hat die Gräfin das rumänische Spukmedium Eleonore Zugun zu sich nach Wien genommen, um deren Phänomene zu studieren. In der Folge wurden bei diesem bedeutendsten Spukfall am Anfang des Jahrhunderts über 3 000 Einzelphänomene dokumentiert – Apporte, Telekinesen, später Kratz- und Spuckphänomene.

Aus den Mitgliedern dieses Zugun-Studienkreises ist dann die Österreichische Gesellschaft für Psychische Forschung direkt hervorgegangen, wie die Gräfin auch selbst schreibt. Es läßt sich nachweisen, daß sämtliche Gründungsmitglieder der Gesellschaft Teilnehmer an den Zugun-Sitzungen gewesen waren: die Originale der Protokollbücher befinden sich in meinem Archiv, eine Abschrift befindet sich im Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Freiburg i.Br.. Die Gründungsmitglieder sind auch identisch mit den Unterzeichnern der Erklärung "Wiener Gelehrte für Gräfin Wassilko" (Neue Freie Presse, dann in der Zeitschrift für Parapsychologie nachgedruckt).

Damit ist nachweisbar, daß dies also der Kreis war, aus dem die Gesellschaft unmittelbar hervorgegangen ist und dessen Unterschlagung daher keineswegs akzeptabel ist. Die Kontinuität seit den Zeiten der Wettstein-Kommission (1923), wie der Verfasser sie mit seiner Darstellung suggeriert, ist jedoch mehrfach gebrochen. Daß sich freilich die Personenkreise der früheren Thirring/Holub-Sitzungen mit den Angehörigen des Zugun-Studienkreises teilweise überschneiden, ist nur selbstverständlich; da gab es weiters den Kreis um Czernin-Dirkenau, in dem sich viele der genannten Persönlichkeiten wiederfinden, zum Teil auch um "Baron" Dumba. Eine Zusammenfassung verdeutlicht die Situation: zum Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft (Dez. 1927) war Holub jedenfalls bereits 3 Jahre tot, seine Witwe aus dem Kreis der Interessenten ausgeschieden, die Schneider-Sitzungen waren schon lange Zeit zu Ende, ebenso die Sitzungen mit Kraus/Weber. Hingegen waren die Zugun-Phänomene erst im Juli desselben Jahres zu deren völligem Ende gelangt, im Sommer desselben Jahres war ihre internationale Vorstellung auf dem III. Internationalen Kongreß für Psychische Forschung in Paris erfolgt, und die Publikationen pro und contra haben sich noch bis ins Jahr 1928 hineingezogen.

Ohne daß dies für die Gründungsgeschichte der Gesellschaft von Relevanz wäre, erweist auch der Umgang des Verfassers mit biographischen Details, daß seine Arbeit nicht verläßlich ist. Wenn er schreibt: "Die Familie Wassilko war ursprünglich in der Bukowina beheimatet, wo der 1918 in den Grafenstand erhobene Vater Frau Wassilkos, (Graf) Stefan Wassilko, ausgedehnte Güter besaß", so ist auch dies nur in Teilen richtig. Seit dem 19. Jhdt. waren die unermeßlich großen Familiengüter ein Fideikommiß, hatten also ungeteilt in der Hand des jeweils ältesten Sohnes zu bleiben. Da der Vater von Zoë Gfn. Wassilko, Stefan Gf. Wassilko, der zweitgeborene Sohn war, hatte er keinen Anteil an den Familiengütern, weshalb er auch mit seiner Familie in die Haupt- und Residenzstadt Wien übersiedelte, um sich dort eine Beamtenkarrière aufzubauen. (Freilich war sein Bruder, der Majoratsherr, verpflichtet, den jüngeren Brüdern eine entsprechende Apanage zu zahlen). Alle vier Brüder wurden 1918, unmittelbar vor der Untergang der Monarchie, in den erblichen Grafenstand erhoben.

In dieser Art finden sich zahlreiche weitere Fehler – die natürlich nicht alle in dieser kurzen Richtigstellung behandelt werden können –, zum Teil auch grotesker Art, wie die Behauptung des Verfassers, daß das "National Laboratory of Psychical Research" von der ASPR "in London eingerichtet" worden sei – warum hätte auch die American Society for Psychical Research das nationale Laboratorium der Briten einrichten sollen? Daran stimmt nur, daß der Begründer dieses Labors, Harry Price, als Research Officer der ASPR tätig war; Harry Price war mit Thirring, den er zunächst zu Vorträgen nach London eingeladen hat, ebenfalls durch den Zugun-Fall in Kontakt gekommen.

Sehr unbefriedigend ist das Fehlen jeglicher Gewichtung in bezug auf die Forschungsaktivitäten der Gesellschaft in deren Frühzeit: der Verfasser führt die untersuchten Medien/Sensitiven einfach in alphabetischer Reihenfolge an. Das steht in krassem Widerspruch zu der Tatsache, daß Gräfin Wassilko ausdrücklich schreibt, die Untersuchungen an Frieda Weissl sei die Hauptleistung der Gesellschaft in jener Periode gewesen. Immerhin war der Fall Frieda Weissl bedeutend genug, daß er heute noch international zitiert wird. Somit halte ich es für völlig illegitim, die Frieda Weissl nur so unter "ferner liefen" aufzuzählen.

Auch die Frau Bachruch war nicht schlechthin "eine Frau Bachruch", sondern hat – von den Versuchen mit ihr abgesehen – insofern eine historisch wichtige Rolle gespielt, als sie das autobiographische, seine Tricks aufdeckende Manuskript des Kraus/Weber entlehnt und es Schrenck-Notzing kurzzeitig zur Verfügung gestellt hat. Gerda Walther erwähnt dies (allerdings ohne Namensnennung, bloß "von befreundeter Seite") auf Seite 431 ihrer Autobiographie Zum anderen Ufer.

Was Merbeller in Prachatitz anlangt, kann ich nicht sehen, inwieweit das eine Untersuchung der Gesellschaft gewesen sein sollte? Gräfin Wassilko ist auf eigene Kosten hingefahren, hat die Sache aufgeklärt und publiziert – keineswegs als Aktivität der Gesellschaft.

Umgekehrt fehlen völlig die Demonstrationsversuche mit dem Bergmann Diebel, eine der ersten Aktivitäten der Gesellschaft kurz nach ihrer Gründung.

Überhaupt wird nicht zwischen den privaten Aktivitäten von Mitgliedern der Gesellschaft und den Gesellschaftsaktivitäten unterschieden: so wäre die Darstellung des Verfassers, welche Kongresse die Gesellschaft "beschickte", nur bei Gewährung eines Reisekostenzuschusses akzeptabel. In diesem Zusammenhang ist ferner die Bemerkung des Verfassers unverständlich, ich hätte bei Kongreßbesuchen "bis zuletzt nicht als ... Vertreter" der Gesellschaft daran teilgenommen – welche Veranlassung hätte ich auch haben sollen, dies zu tun, wenn es sich in keiner Weise um eine "Entsendung" durch die Gesellschaft oder wenigstens den geringsten Reisekostenbeitrag gehandelt hat?

Leider enthält auch die Darstellung der Teilnahmen von Mitgliedern der Gesellschaft an den Internationalen Kongressen für Psychische Forschung mehrere leicht nachweisbare Fehler. Karl Camillo Schneider hat – entgegen Heindls anderslautender Behauptung –, nicht am Pariser Kongreß von 1927 teilgenommen, wie aus dem Tagungsband leicht nachweisbar ist, hingegen Wilhelm Wrchovszky, immerhin ein Gründungsmitglied der Gesellschaft, sehr wohl, was vom Verfasser wiederum unterschlagen wird. Vermutlich verwechselt er das mit der Teilnahme Schneiders am Kongreß von Athen 1930, dort fehlt hingegen der wünschenswerte Hinweis auf die Teilnahme von Daniel Walter, der bei dieser Gelegenheit ein programmatisches Referat gehalten hat.

Was nun – nach einem großen zeitlichen Sprung – die Experimente von Gustav Adolf Schwaiger betrifft, so sehe ich nichts, was diese als eine Aktivität der Gesellschaft interpretieren ließe; es ist m.E. auch dies eine Privatinitiative eines (damals führenden) Mitglieds. Über Versuche in den Räumen der RAVAG ist mir nichts bekannt, obwohl ich seinerzeit diese Periode selbst nachrecherchiert habe und auch mit seinem Sohn, damals selbst schon ein Herr zumindest mittleren Alters, Verbindung aufgenommen hatte; die Versuche fanden (zumindest ihrem Großteil nach) vielmehr in einer Privatwohnung statt, nämlich genauer gesagt im Atelier einer Malerin, das im damaligen Messepalast (d.h. ehemals k.u.k. Hofstallungen, heute Museumsquartier) gelegen war und später im Krieg schwer beschädigt worden ist, wobei auch die verwendeten Apparate zugrunde gingen. – Es fehlt, wenn diese außerhalb des Rahmens der Gesellschaft veranstalteten Experimente schon zitiert werden, der dann doch recht notwendige Hinweis darauf, daß sich die Aufzeichnungen darüber sowie das Bildmaterial im Archiv der SPR ("Schwaiger File") befinden, d.h. in Cambridge, sowie der ebenfalls notwendige Hinweis auf die Darstellung des Falles bei Anita Gregory, die ja diese Experimente ausführlich und, wie ich anhand einer mir szt. vom Librarian der Cambridge University freundlicherweise angefertigten Kopie dieses Schwaiger-File überprüfen habe können, auch völlig korrekt zitiert.

Zumindest störend ist die Inkonsequenz des Verfassers, der vielfach Adelstitel erwähnt, bei anderen (z.B. Heine-Geldern) sie jedoch unter den Tisch fallen läßt, und der auch die Umbenennung der seinerzeitigen Technischen Hochschule in Technische Universität in seiner Darstellung insofern nicht reflektiert, als er durchgehend die heutige Terminologie "retroaktiv" auch auf frühere Perioden anwendet.

Völlig undurchsichtig sind die Gesichtspunkte, nach denen der Verfasser Publikationen von Gesellschaftsmitgliedern für seine Literaturliste ausgewählt hat. So sind nicht bloß die Wassilko-Publikationen unvollständig, die von Richard Hoffmann fehlen zur Gänze. Teilweise werden hektographierte Heftchen aufgelistet, andrerseits fehlen Publikationen in "peer-reviewed" Zeitschriften, so von Hellmut Hofmann (ZfPuGdP) sowie von W. P. Mulacz (ZfPuGdP und JSPR).       

Ich breche hier ab, denn für eine erschöpfende Behandlung aller Fehler reicht der Platz nicht. Die Österreichische Gesellschaft für Parapsychologie und Grenzbereiche der Wissenschaften hätte sich eine sorgfältigere Bearbeitung ihrer Geschichte verdient!

© Peter MULACZ 


               

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   Porträt von Gräfin WASSILKO  (Ölgemälde von E. ATTEMS)
   [© Peter MULACZ]

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   Gräfin WASSILKO (Photo aus Jugendtagen)
   [© Peter MULACZ]

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   Wappen der Familie WASSILKO von SERECKI

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   Eleonore ZUGUN in ihrem Heimatdorf TALPA,
   kurz nach dem Ausbruch der Poltergeist-Phänomenik
   [© Peter MULACZ]

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   Zum Spukfall der Eleonore ZUGUN:
   die "vom DRACU" in ihrem Gesicht verursachten Kratzer
   Photo: Harry PRICE [The Harry Price Library, University of London]

           

 

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