Millennium - Apokalypse - Präkognition

               

Sehnsucht nach der Apokalypse: 

  

» Die Welt steht auf kan’ Fåll mehr lang ... «

         

Ein Essay zu Millennium, Weltuntergangs- und 

Endzeitprophezeiungen

 

(mit einem kleinen Exkurs über Präkognitionsforschung 

in der Parapsychologie)

[und einem aus aktuellem Anlaß hinzugefügten Postscriptum]

von Peter MULACZ

 



             
War es bei NESTROY noch der "neue Komet", der "auf’s Jahr" kommt, so ist es heutzutage z. B. in einem "Buch 3" der "3. Planet", der den Bestand dieser Welt bedroht – ich versteh’s zwar nicht recht, kannten doch schon die Alten fünf Planeten, aber so genau braucht man es in dieser Literaturgattung wohl nicht zu nehmen, und ob Komet oder Planet – wenn kümmert das schon, und die Namen der beiden Gattungen von Himmelskörpern reimen sich sogar aufeinander ... Was will das schlichte Gemüt mehr?               

Die kosmischen Katastrophen – Kollision mit interstellaren Körpern (hat man schon vor Jahrzehnten bei Immanuel VELIKOWSKI gelesen), dadurch Klimakatastrophen (wie beim Untergang der Saurier), Polverschiebung oder -sprung (mit geradezu grotesker Über- bzw. Verzeichnung der geophysikalischen Realität) – all dies stellt bloß einen Aspekt der Endzeit- und Weltuntergangsszenarien dar, die, wohl anläßlich des herannahenden Millenniums, Gegenstand zahlreicher Publikationen sind, sowohl in der Esoterik-Szene sui generis wie auch im sogenannten Sachbuchsektor.   

Was steht uns noch ins Haus, bevor das nächste Jahrtausend anbricht, oder, nach einer anderen Quelle, bis zum Jahre 2004? Der Dritte Weltkrieg natürlich, schon seit dem Ende des Zweiten vorausgesagt – es ist schon wahr, wir leben in einem ganz miesen Jahrhundert, das nicht nur zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte den Begriff "Weltkrieg" zu prägen Anlaß gefunden hat, sondern auch gleich den Plural dazu ... Also, in solchen Zeiten kann es nur noch weiter bergab gehen. Unser Jahrhundert hält den Rekord der größten Scheußlichkeiten, jeden Tag hören wir im Zuge der Aufarbeitung unserer eigenen jüngeren Vergangenheit davon in den Medien; STALIN hat wohl TAMERLAN, den Lahmen, als Schlächter noch weit in den Schatten gestellt; und Denker wie Günther ANDERS und Erwin CHARGAFF bezeichnen den Einsatz der beiden Atombomben als das größte Verbrechen überhaupt, vor allem die zweite Bombe, die bloß aus Ökonomiegründen zum Abwurf kam, weil sie nun schon einmal da war ... Für CHARGAFF ist das größte Übel die Spaltung der beiden Kerne, des Atomkerns ("To smash the little atom / all mankind was intent. / Now any day the atom / may return the compliment" dichtete einst Otto HAHN) und des Zellkerns: was die Atomspaltung brachte, wissen wir, die genetischen Katastrophen stehen uns hingegen noch bevor. Kein Zweifel also: wir leben im Kali-Juga, wie man es im Osten nennt, und es wird weiterhin bloß immer schlechter. Daß es immer schlechter wird, kommt einem bekannt vor: Cotidie deterior posterior dies haben die alten Römer gesagt, jeden Tag ist der folgende Tag noch schlechter, und von jenem Dichter, der bekannte, immer bloß Verse und keine Prosa geschrieben zu haben, wissen wir, daß diese Welt nach einem guten Anfang (Aurea prima sata est aetas) dann immer weiter bis zu den heutigen elenden Zuständen abgesunken ist – woraus man schließen mag, daß es bald mit einem noch größeren Knall zu Ende sein wird.                        

Gewiß bin ich mir dessen bewußt, daß man die Welt auch anders sehen kann, realistischerweise bald drei Jahrhunderte nach dem ersten Erscheinen der Theodizee zwar nicht ganz so positiv wie deren Autor, aber immerhin, bei Sonnenschein und Vogelgezwitscher, über den Wolken, bei Morgenrot und Rosenblüh’n, in den Armen eines geliebten Menschen oder beim Hören der Neunten mag man geneigt sein, alles doch in einem rosigen Licht zu erblicken. Für unser Thema habe ich aber heute ganz bewußt die düsteren Farben auf meine Palette geladen, um zu demonstrieren, welch lange Tradition in der abendländischen Geistesgeschichte, wie auch in der des Ostens, diese negative Bewertung unserer Welt aufzuweisen hat, dieser Welt, die, vom Demiurgen geschaffen, im Innersten böse ist, und wie dieser Ausdruck negativen Lebensgefühls von den Ereignissen unserer Zeit – weit über hundert kriegerische Auseinandersetzungen allein seit 1945, darunter der längste Krieg des 20. Jahrhunderts, gegenseitiges Abschlachten von Hunderttausenden in RUANDA und in kleinerem Maßstab im ach so zivilisierten EUROPA, bei unseren Nachbarn, die daraufhin in Not sind – argumentativ gestützt wird.                 

Das ist die Folie, vor welcher wir die kursierenden Prophezeiungen zur Endzeit betrachten wollen. Altehrwürdige Prophezeiungen wie die des NOSTRADAMUS oder des MALACHIAS werden neu aufgelegt – und an die mittlerweile erfolgten Ereignisse angepaßt – und neue Prophezeiungen werden publiziert, nach dem bewährten Muster gestrickt, das sich seit fast zwei Jahrtausenden, seit die Apokalypse verfaßt worden ist, bewährt hat, und auf ihre Authentizität hin unüberprüfbare Voraussagen aus anderen Kulturkreisen werden importiert: in einer Periode, in der Schamanismus und Indianerweisheit in ist, kann es einfach nicht ohne die HOPI gehen. Freilich, es ist ein Thema mit Variationen, auf jeden Fall wird das Kommende furchtbar sein, aber nicht notwendigerweise ist es schon das Ende schlechthin, denn für die wenigen Auserwählten, die es überleben, wird das himmlische Jerusalem dann auf Erden errichtet und es beginnen paradiesische Zeiten ...                       

Diese Verschränkung von zeitlicher und ewiger, von sozialer und eschatologischer Heilserwartung ist als pattern ganz typisch, unverändert seit den Tagen dessen, welcher die politische Heilserwartung seiner Anhänger erst hat zurechtrücken müssen, indem er ihnen klargestellt hat, daß sein Reich nicht von dieser Welt sei. Es warten nicht bloß die Juden noch immer auf ihren Messias; in der schiitischen Variante des Islam, ebenso wie bei den Drusen, spielt die "Entrückung" eines Imams eine Rolle, dessen Wiederkehr in der Rolle des Heilsbringers erwartet wird. Einer ist ja auch schon einmal gekommen, der erwartete Madhi, AHMET mit Namen, durch ihn hat GORDON PASCHA seinen Kopf verloren, SLATIN PASCHA Berühmtheit erlangt, und KITCHENER ist, als alles bereinigt war, zum LORD OF KHARTOUM erhoben worden. Und in INDIEN wird dereinst KRISHNA als Held und Heiland wiederkehren.              

Wer den Zeitgeist atmet, stellt sich freilich seinen Heilsbringer anders vor, z. B. als UFOnauten, eine der Formen, wie die säkularisierten Engel heutzutage aufzutreten pflegen – und so kam ja auch prompt ein UFO im Schweif des letzten Kometen (Warum auch nicht? "Credo quia absurdum" liest man schon bei TERTULLIAN, dem frühchristlichen Kirchenschriftsteller, und offenbar nichts ist absurd genug, um nicht von irgendjemandem gläubig absorbiert zu werden) und so kamen die Heaven’s Gate-Sektierer schließlich in ihren Himmel ... Andere Endzeit-Gläubige treffen indessen Vorbereitungen dafür, gegebenenfalls lieber ihre Mitmenschen in den Himmel schicken zu können: so wurde im Münchner Arbeitskreis eschatologischer Christen die Empfehlung ausgegeben, sich mit Armeewaffen der abziehenden DDR-Volksarmee einzudecken, um bei dem, gemäß den Prophezeiungen zu erwartenden, Ansturm der Horden aus dem Osten im endzeitlichen Kampf sein Hab und Gut verteidigen zu können. Fürwahr sehr "christlich" gedacht, aber schließlich ist Gewalt den Christen aus der langen Geschichte ihrer verschiedenen Kirchen keineswegs unbekannt.                 

Bei aller Hoffnung auf das Heil steht doch die Furcht vor den Schrecken der Endzeit im Vordergrund dessen, was in den Prophezeiungen zu lesen ist, und die Maßnahmen, welche die Endzeit-Gläubigen zu ihrem Überleben treffen können, stehen im Vordergrund von Geschäftsinteressen. Das wäre vielleicht eine passende Antwort, wenn der zitierte betagte Kulturphilosoph immer wieder kritisch das Wesen des Fortschritts hinterfragt, ihm so zu erwidern:  haben die Chiliasten beim ersten Millennium Hab und Gut verschenkt, um in den Himmel zu kommen, so sind wir tausend Jahre später so weit fortgeschritten, daß wir uns bemühen, den Weltenbrand einigermaßen gut im Hier und Jetzt zu überleben. Wie uns die Heilserwartungen ein Janusgesicht gezeigt haben, mit einer politisch- immanenten und einer eschatologisch- transzendentalen Seite, so beinhaltet auch das Bündel von Hilfsmitteln, die dem, der sie kauft, das Überleben sichern, gleichzeitig spirituelle und materielle Sicherheiten, die wie im Versandhauskatalog angepriesen werden: von geweihten Kreuzen über die Medaillen der Mystikerin JAHENNY (das war eine um die Jahrhundertwende bekannte Stigmatisierte, wie in unserer Zeit die Therese NEUMANN aus KONNERSREUTH) bis zu der geweihten Kerze, die auch dann noch brennt, wenn alle anderen Lichter verlöschen (wer denkt da nicht mit Furcht und Schrecken an die dreitägige Finsternis), und auf der anderen Seite ein Notproviant, gegen radioaktive Strahlung sicher verpackt, genug für drei Monate zum Schleuderpreis von nicht einmal öS 12.000.– . Was wohl der Österr. Zivilschutzverband davon hält? Ich befürchte, die kennen dort die neuesten Prophezeiungen noch nicht und empfehlen vielleicht gar noch die Bevorratung von Reis, Hülsenfrüchten, Nudeln, Mehl und Milchpulver – aber die haben halt wohl ihren Finger nicht am Puls der Zeit. Natürlich braucht man zum Überleben des Infernos auch einen Schutzraum. Ein Architekt hat in jenem Bundesland, in dem ÖSTERREICHs beleibtester (nicht beliebtester) Bischof residiert, eine historische Kartause vorbildlich renoviert und es ist ihm, nachdem dort einmal eine wirklich interessante Landesausstellung gezeigt worden ist, nunmehr auch gelungen, einen Mieter für diese Immobilie zu finden, indem sich dort eine päpstliche Akademie angesiedelt hat, präsidiert von einem Träger eines großen Namens. Während dessen berühmter Ahne, der Feldherr, laut SCHILLER allen ein Stein des Anstoßes und der Ärgernis ist, hat sich ein späterer Vorfahre die musikalische Unsterblichkeit dadurch gesichert, daß er bei BEETHOVEN eine Sonate in Auftrag gegeben hat. Im Dunstkreis der von dem Epigonen geleiteten Akademie verkauft der genannte Architekt eben die Plätze in seinem Atombunker, die genannten Requisiten zum Überleben werden dort vertrieben (gemäß der Berichterstattung der Zeitschrift Kirche Intern, wobei dieser liberal-progressive, "linke" Flügel innerhalb der Katholen süffisant dem traditionell- reaktionären, "rechts-rechten" Flügel eins auswischt), und schließlich wird für jenes "prophetische" Buch, das uns noch bis zum Jahre 2004 begleiten soll, Reklame gemacht:  immerhin muß ja die Angst vor den kommenden Katastrophen zuerst einmal richtig geschürt werden, um den Umsatz zu steigern.                 

Es versteht sich ohne lange Erklärungen, daß auf unserer Erde genug Potential für katastrophale Entwicklungen vorhanden ist, gegen welche TSCHERNOBYL ein Vorspiel nur gewesen ist – sowohl Umweltkatastrophen wie auch Kriege. Allein die Tatsache, daß es politische Kommentatoren als großen Erfolg feiern, wenn gelegentlich bei Abrüstungsverhandlungen der mehrtausendfache Overkill um ein paar Prozent reduziert wird (als ob der Begriff des Overkill an sich nicht schon in seiner Sinnlosigkeit schrecklich genug wäre), zeigt das permanente Gefahrenpotential, mit dem wir ausgangs des 20. Jahrhunderts leben müssen. Die Tatsache, daß im gegenwärtigen politischen Wetterwinkel dieses Globus, im NAHEN OSTEN, eine – wenngleich bevölkerungsmäßig kleine – Macht bis an die Zähne gerüstet ist, angeblich, nach internationalen Schätzungen, mit 500 Atomwaffen, zeigt ... Ach was, ich breche hier ab. Jeder kann sich die realen Bedrohungsbilder unserer Zukunft selbst ausmalen. Diesen realitätsbezogenen Szenarien stehen nun die aus den Visionen bzw. Aussagen der sogenannten Seher, die Prophezeiungen, gegenüber. Und bloß um diese geht es uns hier. Soweit bzw. wie sich zeigen wird, daß deren Aussagen und Warnungen als irreal einzustufen sind, ist das die eine Sache; daß wir realiter auf einem Vulkan tanzen, ist eine andere Sache.              

           
Der Seher aus dem WALDVIERTEL, mir persönlich bekannt, dessen Aussagen von einem pseudonymen Autor zu jenem Buch verarbeiten worden sind, das auch über den Kreis um die ehemalige Kartause, vor allem aber über merkwürdige Kanäle (Stichwort TESLA) vertrieben wird, dieser Mann also figuriert in jenem anderen, von der Obsession der Ziffer Drei gekennzeichneten Buch auch als Bauer aus KREMS. Bei so vielen Betrachtungen über Prophetie wage auch ich eine, und zwar die, daß wir in Kürze irgendwo zu lesen bekommen werden, wie eindrucksvoll die einzelnen Seher einander bestätigen, nämlich, daß unser Mann aus dem WALDVIERTEL dieselben Ereignisse voraussagt, wie der Bauer aus KREMS. – Was sagt er nun voraus?           

Den Einsturz der Reichsbrücke hat er vorausgesagt – sagt er (bzw. der Klappentext). Nach der Reichsbrücke, was ja schon länger zurück liegt, kommt nun LONDON dran, dessen Untergang unmittelbar bevorsteht (oder bevorstand, weil diese Gesichte ja bereits 1994 publiziert worden sind), der Bürgerkrieg im ehemaligen JUGOSLAWIEN dauert an bis unmittelbar vor den Ausbruch des Dritten Weltkriegs, ein schwerer Konflikt entzweit POLEN, ab Mitte der Neunzigerjahre kommt es in ÖSTERREICH, DEUTSCHLAND und der SCHWEIZ zu einer starken Inflation (vom Euro ist nicht die Rede, aber immerhin war unser Mann so schlau, den SCHAUMAYERschen Beteuerungen, der Schilling sei bis weit ins nächste Jahrtausend hinein gesichert, keinen Glauben zu schenken – oder sollte ich sagen, er ist lebenserfahren genug, Aussagen von Politikern grundsätzlich skeptisch zu begegnen?). Während in RUSSLAND das Chaos ausbricht, ist CHINA das einzige Land, das einen Aufstieg erlebt. Nun muß auch NEW YORK dran glauben: in Kürze ist die Zerstörung MANHATTANs fällig, 1998, mit einem Jahr auf oder ab. Also vielleicht ist es dann, wenn Sie diese Seiten lesen, schon passiert ... Wenn nicht, ist noch ein Jahr Gelegenheit zum Gruseln, wie in der Geisterbahn, denn die Katastrophe findet in einem Frühsommer statt, und er weiß genau, daß es zu Mittag sein wird. Der seinerzeitige Anschlag auf das World Trade Center hat den Rahmen abgesteckt:  diesmal werden es jedoch nukleare Sprengsätze sein, die den Big Apple zerstören. Dann kommt der Funkenregen, weil die Erde gerade die Bahn eines Himmelskörpers passiert:  es ist schon sehr schön, zu wissen, daß unser blauer Planet im Zentrum des Geschehens des Universums steht, und daß die irdischen Ereignisse, wie in den Gedankengebäuden der Vorzeit, ihre kosmischen Entsprechungen finden – analog dazu ist ja für alle derartigen Seher überhaupt unsere Lebenswelt hier im christlichen Mitteleuropa der Focus des Weltgeschehens, denn schließlich ist es unsere (was deren "Nullpunkt" betrifft, übrigens äußerst fragwürdige) Zeitrechnung, die den Begriff "Millennium" determiniert: zwar ist die Majorität der Bewohner dieses Planeten nicht dem christlichen Glauben zuzurechnen, aber "wir sind wir" und in diesem Sinne sagt auch der zitierte Diözesanbischof bei jedem TV-Auftritt, daß er im Besitz der Wahrheit sei, sich selbst im Zentrum der Welt wissend und ohne jede Reflexion auf den Andersdenkenden. – Dann geht’s so richtig los: frühestens heuer im Spätsommer bricht, nach Konflikten im NAHEN OSTEN und in AFRIKA, der Dritte Weltkrieg aus, zwei Jahre wird er im deutschsprachigen Raum wüten, die Russen greifen an, und die Chinesen kommen uns zu Hilfe, mit kleinen Panzern, und auch unser Seher ist, zwar schon ein älterer Herr, dabei selbst als Panzerfahrer eingesetzt – also scheint’s mit dem NATO-Beitritt nicht ganz so geklappt zu haben (aber davon war ja 1994, bei Drucklegung, auch noch kein Rede gewesen – wie es stets interessant ist, angeblich prophetische Stimmen einige Zeit nach der Realisierungsphase nachzulesen; ich besitze z.B. eine NOSTRADAMUS- Ausgabe aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts, in der alles, was bis dahin geschehen war, mit Zitaten dieses Sehers belegt ist, während die Extrapolation seiner Texte in die damalige Zukunft und nunmehrige Vergangenheit völlig in die Irre gegangen ist). PARIS brennt im Zuge eines französischen Bürgerkriegs nieder – glücklich haben wir nun den Untergang dreier Metropolen komplett, das ist doch ein schönes Motiv, das man sich nicht entgehen lassen dürfte:  richtig, beim IRLMAIER, einem berühmten bayrischen Propheten, haben wir das ja schon vor Jahrzehnten gelesen. Nukleareinsätze an der Adria und im Nordseeraum haben gigantische Überschwemmungen zur Folge, LONDON geht unter – nur kleinliche Buchhalterseelen können sich daran stoßen, wenn im Zuge einer großangelegten Prophezeiung eine Stadt zwei Mal hintereinander zum Untergang verurteilt ist. Jedenfalls hat Gott offenbar nun wirklich ENGLAND gestraft, so lese ich das aus dem Text heraus, und DEUTSCHLAND wird durch eine überlegene neue Waffe vor der Niederlage bewahrt – "Wunderwaffen" hat man so etwas anno nazimal genannt. Mehrere Nationen werden vernichtet, und über 90 % der Menschheit kommt im Zuge der Ereignisse dieses Krieges um. Ist eh nicht schad’ d’rum, könnte man – wenn auch zynisch, so doch in perfekter Konsistenz mit der Geisteshaltung, die aus diesen Prophezeiungen spricht – dazu sagen.             

Frühestens im Spätsommer 1997 geht’s los mit diesem verheerenden Krieg, aber wenn nicht heuer, dann sicher nächstes Jahr (das ist immer so mit unseren Prophezeiungen:  es passiert bald, wenn nicht noch heute, dann morgen, wenn nicht morgen, dann übermorgen, genau weiß man nicht, wann, doch eines ist sicher:  es steht unmittelbar bevor), denn schließlich dauert dieser Krieg, zumindest in Mitteleuropa, bloß zwei Jahre, und unser Seher weiß mit Bestimmtheit, daß es im Jahre 2000 schon wieder vorbei ist.   

Was passiert dann, nach dem Krieg? Natürlich wird das Deutsche Reich wiedererrichtet, es kommt zu einer Neubildung des deutschen Kaiserreichs (sic!) unter Einschluß von ÖSTERREICH, der SCHWEIZ und der anderen deutschen Gebiete – recht so, endlich kehrt dann wohl auch KÖNIGSBERG, wo der große KANT seinen Lehrstuhl hatte, und später auch unser Konrad LORENZ zumindest dessen halben (ob das unserem Seher wohl bewußt ist?) heim ins Reich:  besser könnte wohl der revisionistisch- reaktionäre Grundtenor all dieser Prophezeiungen (wie schon z.B. vor bald 50 Jahren diejenigen von Louis EMRICH, der den "Kaiser OTTO" vorausgesagt hat) gar nicht zum Ausdruck gebracht werden. Die Republiken werden wieder Monarchien – der Mann aber, der zum deutschen Kaiser gekrönt wird, ist ein unbekannter Mann aus ÖSTERREICH (ob er wohl auch sagen wird: "daß Ihr mich gefunden habt"?), jedenfalls begegnen wir hier dem alten Motiv des Bauernkaisers wieder, das schon bei den Zwölf Sibyllen aufscheint und z.B. Mitte des 19. Jhdts auf den Reichsverweser Ezh. JOHANN gedeutet wurde. Kein Geringerer als der Papst ist es, der sich disloziert und am RHEIN, wo es – warum? fragt das Lied – so schön ist, die Kaiserkrönung vornimmt, wohl zum 1200-hundertjährigen Jubiläum. Es wimmelt hier (wie bei anderen Prophezeiungen) also von romantisierenden politischen Atavismen, die mehr als deutliche Indizien dafür sind, wie alt dieses Gedankengut eigentlich ist und daß es sich bei den "neuen" Prophezeiungen bloß immer wieder um ein neues Aufbrühen desselben alten Kaffeesatzes handelt.   

Mit den Päpsten ist es so eine Sache, gemäß dem alten MALACHIAS wird es nach dem gegenwärtigen Pontifikat nur noch zwei geben, denn dieser Mönch hat im Jahre 1139 jedem zukünftigen Papst eine lateinische Devise gegeben (für PIUS XII. lautet sie z.B. Pastor angelicus – Rolf HOCHHUT hat das wohl anders gesehen), und der Vorrat dieser Sinnsprüche ist halt jetzt gerade fast aufgebraucht. Das ist eine fulminante Bestätigung der drohenden Apokalypse, vor allem, wenn man außer Acht läßt, daß die Zuschreibung ins 12. Jhdt. spurios ist und der Erstdruck erst 1595 erfolgt ist; in Wirklichkeit war das Ganze eine, von Arnold von WION herausgegebene politische Tendenzschrift, die den Zweck hatte, das Konklave des Jahres 1590 zugunsten eines Kardinals SIMONCELLI zu beeinflussen, der aus ORVIETO stammte, weshalb dem zu wählenden Papst die Devise Ex antiquitate urbis zugeordnet wurde. Allerdings, wie öfters bei derartigen Machenschaften, ist das Ziel nicht erreicht worden, aber daß die "Prophezeiung" heute noch Anhänger findet, ist wohl mehr als Kompensation dafür.                

Zurück also zu unserem Waldviertler Propheten: nachdem der Papst den Bauern zum Kaiser gekrönt hat, ist es dann auch mit dem Papsttum bald vorbei, vorher wird noch schnell die Abtreibung verboten, es kommt zu einer Erneuerung des Christentums, und es gibt keine Päpste mehr. Das nenne ich ein Thema mit Variationen: während bei MALACHIAS der letzte Papst, PETRUS II. ROMANUS, aufgrund von Verfolgungen flieht, aber jedenfalls das Ende des Papsttums uns Heutigen nahe bevorsteht, fällt bei dem Mann vom Rande des Truppenübungsplatzes ALLENTSTEIG das Papsttum einer Reformbewegung zum Opfer – von selber, undramatisch und unspektakulär ganz ohne Flucht.                                  

Das soll aber nicht heißen, daß es jetzt, nach dem Krieg, der Kaiserkrönung und der Kirchenreform, ruhig und beschaulich weitergeht: denn schließlich fühlt auch unser Gewährsmann das dringende Bedürfnis, jene kosmischen Katastrophen, von denen er anderswo gelesen hat, in seine Prophezeiung hinein zu verwurschten:  es kommt zu einer Polverschiebung oder einem Polsprung und dann – als ob das allein nicht schon genug wäre – zur Kollision mit einem Himmelskörper, was zu längeren Nachbeben und einer Klimaveränderung führt, wodurch Mitteleuropa wärmer wird, sodaß es keinen Schnee mehr bei uns geben wird.         

Damit haben wir es dann endlich überstanden: es folgt eine überaus lange, glückliche und friedliche Epoche – und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch ...                 

Also doch ein happy end, in diesem Buch, das über merkwürdige Kanäle vertrieben wird: nämlich über das (private) TESLA INSTITUT AUSTRIA. Nun war Nicola TESLA sicher eine faszinierende Erfinderpersönlichkeit, die der unvergessene Lambert BINDER aufgrund gewisser Aspekte sogar als einen  "Technomagier" bezeichnet hat. Mittlerweile ist aus TESLA eine Kultfigur für jene Subkultur geworden, in der sich Okkultes mit Zweifeln an der modernen Naturwissenschaft verbindet, insbesondere in Form eines Rückgriffs auf physikalische Vorstellungen vor EINSTEIN (zeitgleich mit der aktivsten Periode im Leben TESLAs): wenn auch nicht vom "Äther" gesprochen wird, so doch von "freier Energie". Wer verhindert den Ausbruch des Goldenen Zeitalters, d.h., die Nutzung dieser "freien Energie":  natürlich die Ölmultis, die die auf Erdöl basierende Technologie zu perpetuieren ein vitales Interesse haben, und die damit verbundene Verflechtung internationalen Kapitals. Ohne jetzt einzelne Elemente dieses Gedankengebäudes analysieren zu wollen, ist bereits deutlich geworden, in welcher geistigen Ecke das alles angesiedelt ist:  bei den Weltverschwörungstheoretikern. Und diese sind, der jüdischen Weltverschwörung halber, ganz in der Nähe der rechtesten aller möglicher Ecken. So hatten auch die beiden ersten – mittlerweile wegen "Volksverhetzung" gerichtlich beschlagnahmten – Bücher, die der betreffende, unter einem niederländisch klingenden, Bram STOKERs Roman DRACULA entlehnten Pseudonym auftretende Autor vor dem eingangs erwähnten dritten Buch bereits publiziert hatte, Geheimgesellschaften und deren Weltverschwörung zum Thema, wobei alle drei Bücher in einem wohlweislich auf GRAN CANARIA angesiedelten Kleinverlag erschienen sind, der auch Werke herausbringt, welche ... wen nun heroisieren? Nicola TESLA natürlich! (Der fairness halber sei hinzugefügt, daß dieser Verleger auch Wilhelm REICH schätzt – vermutlich, weil er einer Verschwörung zum Opfer gefallen ist –, ihn wohl sogar überschätzt.) – Der arme TESLA würde sich übrigens im Grabe umdrehen, wüßte er, daß mit seinem Namen neuerdings für eine TESLA Purpur Platte ("Nützen Sie die Urkraft des Universums!") Werbung betrieben wird. – Das sind also einige connections zwischen den Weltverschwörungstheorien und den Prophezeiungen, wobei in den beiden einander überschneidenden Kreisen der paranoide Unterton nicht zu überhören ist, zumindest, sobald man das Sensorium dafür sensibilisiert hat.                

Nemo propheta in patria  –  noch viel bekannter als bei uns ist der Seher aus dem WALDVIERTEL bei unseren bajuwarischen Nachbarn, wo überhaupt die Propheten zu hause sind: IRLMEIER, MÜHLHIASL, der bayrische Waldprophet, die GEIßEN-KÄTHER, der alte JETZER, der Bruder ADAM, der SPIELBÄHN und noch viele mehr. In dem erwähnten Arbeitskreis eschatologischer Christen, dem auch Persönlichkeiten angehören, welche man ihrer sozialen Position wegen nicht notwendigerweise a priori zu den Spinner zählen würde:  Universitätsprofessoren, Aristokraten, Bundeswehroffiziere etc., in diesem Kreis also wurden die Übereinstimmungen von Aussagen der einzelnen Seher einer Computeranalyse unterzogen. Es ist frappant, wie sehr diese Aussagen einander bestätigen. Beispielsweise wird die dreitägige Finsternis, der wir bereits im Zusammenhang mit der geweihten Kerze, die auch dann brennt, wenn alle anderen Lichter verlöschen, begegnet sind, mit nur geringfügigen Modifikationen von nicht weniger als 40 (von 43 untersuchten) Sehern vorausgesagt. Wenn das nicht eine statistische Signifikanz ist, die keinen Raum mehr für irgendwelche Zweifel zuläßt! Die erste, die diese Voraussage von der dreitägigen Finsternis gemacht hat, war übrigens die heilige ODILIE im Jahre 720, heißt es bei den eschatologischen Christen, also noch vor Karl dem Großen! Inzwischen haben wir hier Karl den Letzten und Karl den RENNER gehabt und noch immer ist die Vision nicht eingetroffen. Nachdem wir aber schon so lange gewartet haben, ist es jetzt ganz sicher, daß die Realisierung nun wirklich unmittelbar bevorsteht, zumal das Gesicht inzwischen noch 39 Bestätigungen gefunden hat.            

Difficile est satiram non scribere.  Hier ist das viel verwendete Vokabel von Pseudowissenschaftlichkeit am Platz. Die rechnergestützte Analyse geht in die Irre, wenn der Untersucher den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen imstande ist, wenn er nicht erkennt, daß es sich hier um ein literarisches Motiv handelt, welches stereotyp perpetuiert wird, daß die Volkskunde mit Mythen- und Erzählgutforschung hier zuständig wäre, daß es, bevor man den Computer überhaupt einschaltet, angebrachter wäre, über die Signifikanz der Zahl Drei zu reflektieren, der wir auch hier immer wieder begegnen: die dreitägige Finsternis, die Zerstörung dreier Weltstädte usw. Was rede ich von der Tradition von Mythen, wo man einem konstanten Satz von Motiven begegnet, die stets weitergegeben werden – das ist alles viel zu hochgestochen. Auf einen einfachen Nenner gebracht:  was macht der Lehrer in der Schule, wenn zwei Sitznachbarn den gleichen oder einen sehr ähnlichen Aufsatz abgeben? "Nicht genügend! Abgeschrieben!" wird er darunter setzen, und ganz gleich steht die Sache – trotz Verwendung elektronischer Datenverarbeitung – mit den 40 Übereinstimmungen hinsichtlich der dreitägigen Finsternis, mit der zehnfach belegten Warnung, alle sollen, wenn es einmal so weit ist, im Hause bleiben und keine Fenster öffnen, mit dem häufig anzutreffenden Satz, die Überlebenden werden die Toten beneiden und mit vielem anderen mehr. Also: 40 mal abgeschrieben, zehn mal abgeschrieben, Nicht genügend!               

"Ich werde es nicht erleben, aber Sie werden es noch erfahren", sagt der alte JASPER, "wir Alten, wir werden es nicht mehr erleben, Du aber, mein Kind, Du wirst es noch sehen", heißt es beim SÖMER, "der wird’s nicht mehr erleben, seine Kindeskinder auch nicht, aber deren Kindeskinder erleben es", kündigt der MÜHLHIASL an, und "ich erleb’ das alles nicht mehr. Aber über Dich und Deine Kinder wird das ... noch kommen", sagt die GEIßEN-KÄTHER. Bis in die Formulierungen hinein finden wir bei den Texten verschiedener Seher immer wieder dasselbe, so auch hinsichtlich der Indizien für den Beginn des großen Abräumens:   "Wenn die Männer weibisch werden ..." beim Waldpropheten, "wenn die Frauensleute nicht wissen, was sie ... für Kleider tragen sollen..." beim "Kapuzinerpater" und der Sibylle MICHALDA, und "wenn die Männer auch ihre Tracht ändern ..." (nochmals "Kapuzinerpater"). Nicht bloß die sprachlichen Wendungen sind abgeschrieben – oder, wohlwollender ausgedrückt, sie zeigen traditionsverhaftet über lange Perioden hinweg eine signifikante Konsistenz – , auch gewisse Inhalte kehren unverändert wieder: das ist ja das wirklich Bemerkenswerte, daß im Zuge dieser "prophetischen" Literatur atavistische Elemente perseveriert werden, ohne nennenswerter Modifikation aufgrund inzwischen erfolgter Entwicklungen technischer oder politischer Art zu unterliegen. Am deutlichsten ist dies bei der Rolle von Papst und Kaiser zu sehen, wo man sich geradezu ins Mittelalter zurückversetzt fühlt, an die Sagen vom zu erwartenden Endkaiser, dem Großen Monarchen oder Messiaskaiser (eventuell im Berge, im KYFFHÄUSER oder im UNTERSBERG, schlafend, um – analog dem entrückten Imam –, sobald seine Zeit gekommen ist, wieder zurückzukehren) erinnert wird, aber auch bei der Beschreibung des kommenden Krieges, der – bestenfalls – dem 2. Weltkrieg nachempfunden ist und neue Entwicklungen (wie sie etwa am GOLF zur Anwendung gekommen sind) völlig außer acht läßt, zumeist aber auf noch viel ältere Szenarien rekurriert:  die Schlacht am Birkenbaum (oder Birnbaum oder Dürren Baum) – auch wenn man sich angesichts des modernen Kriegsbilds eine so kleinräumige Entscheidungsschlacht, daß man sie nach einem einzelnstehenden Baum benennen kann, nicht mehr vorstellen kann, dieser Topos findet sich bei unseren Prophezeiungen nach wie vor. Es handelt sich dabei um ein uraltes Versatzstück, das schon MELANCHTHON, dessen 500-Jahre-Jubiläum wir vor nicht allzulanger Zeit gefeiert haben, in seinen Tischgesprächen mit LUTHER bereits als eine "alte Prophezeiung" bezeichnet hat. Seit damals taucht dieses Element u.a. beim SPIELBÄHN, beim SÖMER, im "Testament eines fliehenden Papstes" (einer Prophezeiung, von der das mehrfache Umschreiben und Anpassen an die Ereignisse besonders gut nachweisbar ist) und an anderen Stellen auf, während unser Lokalprophet aus NIEDERÖSTERREICH diesem alten Motiv immerhin eine originelle neue Deutung (Baum = Atompilz) verleiht. Und so ließen sich noch weitere Topoi aufzeigen, die unsere Prophezeiungen eindeutig als in sich sehr konsistentes literarisches Genus nachweisen, das jedoch von der Realität völlig abgehoben ist, analog den Katastrophenfilmen, die ja auch Fiktion und nicht Dokumentation sind. Warum gehören die diversen Katastrophen im Kino zu den absoluten Kassenschlagern? Dieser Frage im Detail nachzugehen, muß ich mir hier versagen, ich denke aber, daß, vom eingangs erwähnten negativen Lebensgefühl einmal abgesehen, die psychologischen Mechanismen dahinter – hinter dem kindlichen Gruseln in der Geisterbahn im Wurstelprater und hinter der ängstlich- gläubigen Beschäftigung mit Prophezeiungen – dieselben sind, und ich würde sie vielleicht zunächst im Bereich von FREUDs Todestrieb suchen, verschränkt mit dem seit den antiken circenses bekannten Voyeurismus, den Untergang der anderen zu beobachten, selbst aber unbeteiligt zu bleiben bzw. sich als verschont bleibend vorzustellen.                   

Arthur HÜBSCHER, langjähriger Herausgeber des SCHOPENHAUER- Jahrbuches, hat dieses Perseverieren von Motiven und Topoi auf den Punkt gebracht: es gibt gar nicht viele verschiedene Weissagungen, meint er, es gibt nur eine "Große Weissagung" (so auch der Titel seines Buches), die immer wieder aktualisert, den Ereignissen adaptiert und dementsprechend ausgestaltet und umgeschrieben wird. Nil novum sub sole!             

           
Auf der klassischen Bühne pflegte es gegen Ende des Stückes ein retardierendes Moment zu geben. So auch in unserer Betrachtung der Prophezeiungen:           

"Auf dieser Straße werden nur Wagen laufen, ohne mit Pferden bespannt zu sein, die ein fürchterliches Gerassel verursachen", sagt der alte JASPER. Der Mann, eigentlich hieß er EILERT und hat von 1764 bis 1833 gelebt, bezieht sich dabei ganz eindeutig auf die Bahnstrecke KÖLN - MINDEN, die erst 1847 eröffnet worden ist. Also, ich hab’s ja gleich gewußt, es muß doch was dran sein an diesen Prophezeiungen, schließlich hat er was vorhergesagt, was sich erst vier Jahre nach seinem Tode realisiert hat. Und beim schon mehrfach zitierten MÜHLHIASL (recte Matthias PREGL, 1750 – 1825) finden wir eine ganz ähnliche Voraussage, die bloß den Zeitpunkt kennzeichnen soll, wann die schrecklichen Endzeitereignisse beginnen: "Wenn die schwarz’ Straß’ von PASSAU heraufgeht, wenn die eiserne Straß’ über die DONAU herüberkommt, wenn der eiserne Hund in der DONAU heraufbellt, wenn die Wägen ohne Roß und Deichsel fahren, nachher steht’s nimmer lang an". Das scheint sich auf die Bahnstrecke KALTENEGG – DEGGENDORF zu beziehen, die gar erst im August 1914, zur Mobilmachung und dem Eisenbahnaufmarsch, eröffnet worden ist. Ist das nicht ein schlagender Beweis für die Realität von Prophezeiungen, wenn der MÜHLHIASL – nicht umsonst steht er in einschlägigen Kreisen in so hohem Ansehen – dies schon fast ein Jahrhundert vorher so eindeutig hat voraussagen können? Aber der SPIELBÄHN steht ihm nichts nach, lesen wir bei ihm doch von "Wagen so da durch alle Welt laufen, ohne von lebendigen Geschöpfen gezogen zu werden", und immerhin ist dieser Seher (bürgerlich J. B. REMBOLD oder auch REMBORT, vulgo SPIELBERND oder SPIELBÄHN [1689 - 1783]) gar noch um ein Jahrhundert älter. Was für begabte, ja begnadete Menschen müssen diese Seher doch sein, angesichts derer es geradezu frevelhaft ist, Zweifel anzumelden, was auch bloß jemandem einfallen kann, der vom Gedankengut der Aufklärung angekränkelt ist, welch letzteres jedoch in der Diözese ST. PÖLTEN, wo die Welt noch in Ordnung ist, entsprechend abschätzig beurteilt wird.               

Dagegen nun die Fakten der Eisenbahngeschichte:  die erste Eisenbahn wurde bekanntlich 1814 von STEVENSON auf der Strecke STOCKTON – DARLINGTON eingerichtet, der 1826 die Strecke LIVERPOOL – MANCHESTER folgte. Ab 1829/30 kam es zu einem großen Aufschwung des Eisenbahnwesens in ENGLAND und, mit etwas Verzögerung, etwa ab 1840, ebenso am Kontinent. Zumindest in die Periode der englischen Eisenbahnentwicklung ragen also einige unserer Eisenbahnpropheten (es gibt davon weit mehr als die zitierten) durchaus noch hinein. Es wäre aber ein Fehlschluß, sich bloß, wie das Kaninchen vor der Schlange, auf die Lebensdaten fixieren zu lassen:   worauf es ankommt, ist ja, wann die jeweilige Prophezeiung historisch faßbar wird, d.h., ab wann Manuskripte oder Drucke vorliegen. Die Daten der Erstdrucke sprechen nun eine deutliche Sprache:  SPIELBERND 1846 (also zu einem Zeitpunkt, als das Eisenbahnwesen auch auf dem Kontinent schon in einem enormen Aufschwung begriffen war), der alte JASPER 1848 (die von ihm "vorausgesagte" Bahnlinie ist 1847 eröffnet worden, siehe oben) und MÜHLHIASL gar erst 1923 (also weit nach dem 1. Weltkrieg mit des jüngeren MOLTKE Operationsplan).                  

Vaticinium post eventum   lautet der Fachterminus, eine "Voraussage" nach deren "Erfüllung". Hierher gehören auch die weiteren, schlichte Gemüter beeindruckenden Prophezeiungen der uns nunmehr schon wohlbekannten Seher: "... die Menschen den (sic) Vögeln nachahmen und in die Lüfte fliegen wollen" heißt es beim SPIELBÄHN, und dem MÜHLHIASL werden die Worte "die Leut’ werden in der Luft fliegen wie die Vögel" in den Mund gelegt. (Übrigens fällt der Erstflug der Montgolfière, im Todesjahr des SPIELBÄHN, etwa in die Lebensmitte des MÜHLHIASL.   Entscheidend bleiben freilich auch hier die oben zitierten Jahre der Erstdrucke.)                     

Damit stellen sich die Prophezeiungen dieser Art eindeutig als eine Literaturgattung dar, ähnlich den Gattungen Märchen, Sagen, Legenden und Science Fiction:  es gibt zwar (wo denn nicht im Leben?) eine gewisse Beziehung zur Realität, aber es handelt sich keineswegs um eine verläßliche Abbildung derselben. Nicht einmal die Trekkies halten, bei aller Fan-Hysterie, Star Trek für real.    
        


       
Anders stellt sich die Vorausschau im Rahmen der parapsychologischen Forschung dar, wo man, um sich von diesen Prophezeiungen sowie von der Prophetie im Rahmen der Heilsgeschichte abzuheben, dafür den Ausdruck Präkognition verwendet. Die Parapsychologie erforscht als seriöse Wissenschaft – womit nicht gesagt sein soll, daß alles, was unter dem Rubrum Parapsychologie firmiert, auch seriös ist, das ist vielmehr angesichts dieses nicht geschützten Terminus ganz bestimmt nicht der Fall; worauf ich fokussiere, ist jene "akademische" Parapsychologie, wie sie an verschiedenen Universitätsinstituten in aller Welt betrieben wird, gespiegelt etwa in Form der Parapsychological Association – diese ernstzunehmende Spielart der Parapsychologie also erforscht die Präkognition im Spontanfall, historisch (wie die Spœkenkieker) oder aktuell, im qualitativen oder im quantitativen Experiment. Hervorzuheben ist zunächst die Fallsammlung von Kriegsvoraussagen durch W. H. C. TENHAEFF † , ein Material, das sich von dem oben betrachteten toto genere unterscheidet; TENHAEFF hat großen Wert darauf gelegt, welch disparate, unverstandene Elemente derartige Erfahrungen (z.B. in Form von Träumen) im Leben der Berichterstatter geblieben sind, zu deuten erst in der Retrospektive: das Weltgeschehen spiegelt sich im Schicksal des Einzelnen, sagt er, aber eine Extrapolation des visionär Erlebten, des Geträumten etc. auf zukünftige Weltereignisse hin ist völlig unmöglich. Der qualitative Forschungsansatz von BENDER und TENHAEFF hat reiches Material vor allem in Form der sogenannten Platzexperimente erbracht, das z. T. auch quantitativ aufgearbeitet werden kann (U. TIMM), andererseits doch durchaus kontroversieller Natur (P. H. HOEBENS) ist. Seit der RHINEschen Schule steht das quantitative, bloß statistisch auswertbare Massenexperiment im Vordergrund des Interesses; heute nicht mehr in Form von Kartenexperimenten, sondern mit Zufallszahlengeneratoren. Der gegenwärtige Standard ist das sogenannte Ganzfeld- bzw. das Autoganzfeldexperiment.                       

Kürzlich hat Dean RADIN interessante neue Experimente vorgelegt, wobei mittels der Registrierung der Veränderung von physiologischen Parametern ein unbewußtes Antizipieren unmittelbarst (= 5 sec.) zukünftiger Stimuli emotionsbeladener Art nachgewiesen wird ("Presentiment").               

Kein aktueller Beitrag ohne Hinweis auf das Internet (und schon gar nicht, wenn er, wie der vorliegende, überhaupt nur in diesem Medium publiziert wird):  nicht bloß ist seriöse Information über Parapsychologie im Netz abrufbar (das führende europäische Institut ist wohl derzeit die KOESTLER Parapsychology Unit in EDINBURGH, gemeinsam mit dem von Hans BENDER † gegründeten Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene in FREIBURG i. Br.), man kann auch im virtuellen Labor selbst an online-Experimenten teilnehmen, in Zusammenhang mit unserem Thema an einem Präkognitionsexperiment der Abteilung Psychonomie (Dick BIERMAN) an der Reichsuniversität AMSTERDAM (mittlerweile abgeschlossen).  
          


      
Die Resultate der parapsychologischen Experimentalforschung machen deutlich, daß sich die Prophezeiungen, mit denen wir uns befaßt haben, in keiner Form auf die Parapsychologie zwecks Legitimiation beziehen können. Bei den genannten Prophezeiungen handelt es sich um ein bloßes literarisches Genus, das insofern keinen Realitätsbezug aufweist, als es keinen konkreten Anlaß zu Zukunftsängsten spezifiziert, und daher auch nicht irgendwelche Handlungen oder Verhaltensweisen daraus deduzierbar sind. Die Prophezeiungen sind nichts als Mythen:   wie es Mythen vom Anfang der Welt gibt – bei THALES aus dem Feuchten entstanden, CHAOS und GAJA bei HOMER, im Alten Testament die Schöpfung in sechs Tagen, das NIFELHEIM der Germanen, der Mythos vom Weltenei u.v.m. – so gibt es auch Mythen vom Ende der Welt, die mentalitätsgeschichtlich ebenfalls uralt sind. Ich weiß nicht, ob man Mythen teleologisch betrachten darf, aber vielleicht haben diese Endzeitmythen den Zweck, die Bedürfnissen mancher Menschen nach dem Grauen zu erfüllen, vielleicht auch nach Katharsis und damit verbunder Metanoia. Gewiß ist aber das eine: unsere Prophezeiungen sind derartige Mythen, geprägt sowohl von Angst wie von Hoffnung, Mythen vom Weltuntergang, oder, in einem mehr zyklischen Verständnis, das der Antike (platonisches Jahr) bzw. dem Osten (Aus- und Einatmen BRAHMAs) verwandt erscheint, Mythen von einer Transformation: durch eine Periode äußersten Schreckens hindurch zu einem neuen Anfang einer langen glücklichen Epoche – aber in jedem Fall sind es bloße Mythen. Immer wieder gibt es Mythen-Gläubige, die sich von unseren Endzeitpropheten, den Verkündern derselben, verführen lassen:   nicht umsonst hat Gerda LEBER-HAGENAU in diesem Zusammenhang von "Verkündern und Verführern" gesprochen. Wer ausgangs des 20. Jahrhunderts noch einen Mythos für bare Münze nimmt, o sancta simplicitas! – nun, den werde auch ich nicht eines besseren überzeugen können.                      

© Peter MULACZ

 

 

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