Tollmann nach der Blamage

  
Stellungnahmen von Prof. T
OLLMANN
nach dem Nicht-Eintreffen
seiner Prophezeiungen
und mein Kommentar dazu
                

Tollmann will nie wieder prophezeien
Kurier vom 17. Oktober 1999
S. 19

           

          

TOLLMANN
WIDER
-RUFT
UNTER
-GANG

           

Die ganze Woche Nr. 40
vom 6. Oktober 1999
S. 24/25

            
Die im folgenden angeführten TOLLMANN-Zitate sind den jeweiligen Printmedien* wörtlich entnommen. Da von seiten TOLLMANNs keine Entgegnung erfolgt ist, habe ich Grund zu der Annahme, daß die Zitate korrekt wiedergegeben sind.

(Mein Kommentar dazu ist jeweils kursiv gesetzt)

______________________
*) Es handelt sich dabei bloß um signifikante Beispiele. Ein vollständiger Pressespiegel der TOLLMANN-Zitate ist nicht angestrebt worden.

           

profil

"Nostradamus irrte"

      
" . . ., wer in mein Buch eine Widmung wollte, dem habe ich hineingeschrieben, dass ich hoffe, dass alles, was drinnensteht, falsch ist. Aber ich selbst kann gar nicht glauben, dass meine Theorie falsch war."
Was soll der zweite Satz he
ißen – obwohl die Tatsachen seine Theorie Lügen gestraft haben, kann er noch immer nicht akzeptieren, daß seine Gedankengänge in die Irre gelaufen sind?

"Von alten jüdischen Propheten bis zu Nostradamus haben alle 1999 als das Schicksalsjahr beschrieben. Das war für mich so glaubwürdig, weil ihre Prophezeiungen logisch waren und wissenschaftlich überprüfbar."
Gerade die wissenschaftliche Überprüfung von anderer, nämlich kritischer Seite hat Ergebnisse erzielt, denen gegenüber sich T. als taub erwiesen hat und die er mit ihnen konfrontiert nicht hat zur Kenntnis nehmen wollen.

"Die haben radioaktive Verseuchung vorausgesehen, obwohl sie die noch gar nicht kannten."
Nein, das haben sie nicht das ist nicht die Vorausschau der Propheten, sondern eine Sache der Interpretation, und zwar post festum.

"Ich dachte mir: Da gibt es keinen Irrtum."
Iurare in verba magistri? Auf Autoritäten vertrauen statt selbst zu denken und zu prüfen?

profil: Aber heute wissen Sie, dass auch Nostradamus ein Scharlatan war?
"
Das war er nie und nimmer. Nostradamus hat vieles richtig beschrieben, etwa Hitler, Mussolini oder den Holocaust."
Auch hier gilt:  das ist nicht die Vorausschau der Propheten, sondern eine Sache der Interpretation, die im Nachhinein erfolgt ist.

"Es gibt Leute, die in die Zukunft schauen können. Ich weiß es, denn ich war als Junger selbst sensitiv."
Die parapsychologische Forschung hat erwiesen, daß es sich dabei nicht um ein (willkürlich abrufbares) Können
wie etwa bei erlernten und eingeübten Fähigkeiten handelt, sondern daß dies den Menschen, die derartige Erlebnisse haben, einfach widerfährt.

"Jetzt kann ich es nicht mehr ich kann auch mit meiner verstorbenen Frau nicht in Kontakt treten, obwohl ich weiß, dass ihre Seele weiterlebt."
Interessant ist die Verknüpfung zur Survival-Frage, die T. hier macht.
Und woher bezieht er dieses "Wissen" um das Weiterleben der Seele seiner verstorbenen Frau, wie ist es zu begründen?  

profil: Nostradamus ist also kein Scharlatan. Warum ist 1999 dennoch nichts von seinen Vorhersagen eingetreten? Haben Sie ihn falsch interpretiert?
"Ich habe alles richtig gemacht. Ich muss sagen, dass auch Nostradamus, den ich für unfehlbar gehalten habe, irrte und Fehler machte."
Aha, jetzt wissen wir es:  nicht T. irrte, er hat alles richtig gemacht, sondern NOSTRADAMUS irrte. Die Idee, daß Vertrauen auf unverläßliche Quellen unbegründet und damit an sich schon ein Irrtum ist, kommt T. offenbar nicht.

"Aber wichtige Ereignisse des Jahres 1999 hat er schon gespürt, es ist halt wider Erwarten nicht zur Eskalation gekommen. Während der Kosovo-Krise sind wir nur knapp am Dritten Weltkrieg vorbeigeschrammt."
Wichtige Ereignisse des Jahres lassen sich im Nachhinein durchaus in die dunklen Verse hineininterpretieren. Wenn T. meint, "nur knapp" daneben, so ist wohl das sprichwörtliche "knapp daneben ist auch daneben" anzuwenden.

"Und den Kometen, den Nostradamus sah, den gibt's wirklich. Er hat auch die Erdbahn gekreuzt, nur eben einige Wochen zu spät, um mit der Erde zu kollidieren. Den Einschlag hat sich Nostradamus eingebildet. Das habe ich nicht erwartet. Es ist meine Schuld, dass ich ihm geglaubt habe und hineingefallen bin."
Der "Komet, den Nostradamus sah" ist aber auch wiederum Interpretationssache; es ist sehr subjektiv, in NOSTRADAMUS' "großem Schreckenskönig" ausgerechnet einen Kometen sehen zu wollen.

"Aber es ist ein Faktum, dass alle 10.000 Jahre auf der Erde ein Komet einschlägt. Der letzte Einschlag ist über 9500 Jahre her."
Hier geht es einmal gar nicht um Parapsychologie. 
T. scheint schlicht und einfach ein im Rahmen einer zufälligen Verteilung als Durchschnitt ermitteltes Intervall mit einer regelmäßigen Verteilung zu verwechseln, ein Fehler, der einem Naturwissenschaftler nicht unterlaufen sollte. 

profil: Haben Sie einen neuen Termin für die Katastrophe?
"Darauf lasse ich mich nicht mehr ein. In den nächsten Jahren passiert nichts. Aber die Lage ist weiter kritisch. Wir müssen uns für den Ernstfall wappnen. Die NASA muss endlich Neutronenraketen zur Abwehr des Kometen bauen."
Na ja ... 

profil: Bedrückt es Sie, Menschen verängstigt zu haben?
"Einer besorgten Frau habe ich geraten, nach Neuseeland auszuwandern. Die ist jetzt mit ihrer vierjährigen Tochter dort. Die war schon erstaunt, als der Komet nicht gekommen ist. Jetzt will sie den Computer-Crash zur Jahrtausendwende noch abwarten bis dahin macht sie dort zufrieden Urlaub."
Über die Kostenfrage schweigt sich T. aus, nämlich, ob er, T., auch die finanzielle Verantwortung für diesen Ratschlag auf sich genommen hat.

"Ich habe mich oft gefragt, ob ich das Buch der Menschheit antun kann, aber es haben viele Autoren über dieses Thema wirklich Saufalsches geschrieben. Ich wollte das seriös machen."
Was herausgekommen ist, ist aber leider nicht bloß ebenfalls, mit T.s eigenem Ausdruck, "saufalsch", sondern dieses saufalsche Buch ist
vom Prestige eines (wenn auch emeritierten) Universitätsprofessors und vom Erscheinen in einem angesehenen Verlag getragen, was die Sache noch weit verschlimmert. 

"Ich habe selbst viele hunderttausend Schilling in den Luftschutzkeller in meiner Burg gesteckt."
Privatvergnügen! Daß T. selbst an seine Vorhersagen geglaubt hat, steht außer Zweifel, ändert aber nicht viel an seiner Verantwortung gegenüber den Lesern seines Buches. In anderen Zusammenhängen spricht man in solche Fällen subjektiver Gutgläubigkeit von "betrogenen Betrügern".

profil: Wie viel hat Ihnen das Buch gebracht?
"Viel weniger, als ich in die Burg investiert habe." 
Wie viel auch immer, ich denke, die mindeste Wiedergutmachung gegenüber jenen Menschen, die er mit diesem Buch verunsichert hat, wäre es, die gesamten Einnahmen daraus einer karitativen Vereinigung seiner Wahl zuzuleiten.

"Ich war Atheist. Die parapsychologischen Studien haben mir aber den Gott des Universums erschlossen."
Die persönliche spirituelle Entwicklung des Menschen T. ist erfreulich, aber mit seinen "saufalschen" Prognosen hat sie nichts zu tun. 

profil: Sie wollten im November bei den "Psi-Tagen" in Basel über die Gründe der falschen Prophezeiungen berichten. 
"Ich habe meine Teilnahme abgesagt, weil ich die Gründe nicht gefunden habe. Ich sehe keine Lösung in dem Debakel."
Ob das die wahren Gründen sind
und nicht eher die Scheu vor den Konfrontation mit getäuschten Lesern, der erlittene Prestigeverlust durch die Tatsache, daß T. nun als der Blamierte dasteht, der ein Buch (um mit KANT zu sprechen) "voller Unsinn" publiziert hat , sei dahingestellt.
Die "Lösung" lag aber bereits zuvor auf der Hand:  die gesamte Prophezeiungsliteratur hat nicht nichts mit Realität zu tun, sondern ist bloße "Fiction".

"Ehrlich gesagt, ich habe die Schnauze voll von den Vorhersagen."
Eine leider zu späte Erkenntnis . . .

"Ich gehe zurück zu meiner Wissenschaft, der Geologie."
Und glaubt T. wirklich, daß dort sein früheres Renommee nicht nunmehr auch verspielt ist? 
 

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Sonntags-Kurier

"Ich bin geheilt!"

          
"Ich bin überglücklich, dass das Ereignis nicht stattgefunden hat, weil es für die Kultur der Menschheit schrecklich gewesen wäre"
Zwar hat T. schon vorher gesagt, er wäre der glücklichste Mensch, wenn die von ihm vorhergesagten Ereignisse nicht einträfen, jedoch macht die Diktion des Rest des Interviews nicht gerade den Eindruck, man habe es hier mit einem Menschen zu tun, der sich glücklich fühlt eher spricht Resignation aus diesen Worten.

"Ich verstehe es nicht!"
Dabei ist ihm die Haltlosigkeit der Prophezeiungen z.B. der Denkfehler, die Aussagen der Propheten als unabhängige Bestätigung aufzufassen statt als immer weiter fortgeschriebenes Erzählgut in mehreren Diskussionsveranstaltungen rechtzeitig dargelegt worden.

"Das einfachste wäre, wenn nur der Zeitpunkt falsch gewesen wäre und es in 50 oder 100 Jahren passiert".
Hier versucht T., eine Hilfshypothese einzuführen die Aussagen an sich seien richtig, bloß der Termin wäre falsch gewesen , um sein Gedankengebäude zu retten:  also ist er noch immer nicht bereit, wirklich umzudenken.

"Zum Schluss haben alle mich verspottet, aber das macht mir nix. Es ist nicht wichtig."
"Nur ein einziger hat sich nie geirrt: Nostradamus. Und das war mein Irrtum."
Es scheint, daß T. noch immer nicht begreift, daß die "unfehlbaren" Voraussagen derartiger Propheten (inklusive NOSTRADAMUS) immer nur so lange Gültigkeit haben, bis die Neuauflage des betreffenden Buches erschienen ist und die notwendigen Adaptationen vorgenommen worden sind.

"Es ist so unglaublich, dass das alles nicht geschehen ist, alle Propheten haben es beschrieben, in allen Details, zur Erntezeit . . ., wie die Russen kommen . . ."
Es ist so unglaublich, daß ein Mensch von T.s intellektueller Potenz derartig verblendet sein kann, völlig zu übersehen, daß alle diese Details der "übereinstimmenden" Beschreibungen in gegenseitiger Abhängigkeit voneinander stehen.

"Der Komet ist ja tatsächlich gekommen wie Nostradamus es prophezeit hat. Er wurde sehr spät im Kleinen Bären entdeckt wie Nostradamus es prophezeit hat. Und er kam tatsächlich hinter der Sonne hervor wie Nostradamus es prophezeit hat."
Kleinere Kometen sind ein relativ häufiges Himmelsereignis, da paßt bald eine Voraussage. 

"Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das alles nicht stimmt; alles hat so logisch ineinander gegriffen. Die Propheten haben etwas dazu phantasiert."
Was T. noch immer nicht zu verstehen scheint:  auch in  Science-Fiction-Produkten greift "alles ... so logisch ineinander" die innere logische Konsistenz ist eben kein Kriterium für eine korrekte Abbildung der äußeren Realität.

"Ich habe immer betont, dass ich kein Prophet bin. Es wäre eine große Niederlage, wenn ich selbst eine Schauung gehabt hätte, die sich als falsch herausgestellt hätte. Dann wäre ich ein Scharlatan."
Ich denke, daß es mit der selbstgewählten Rolle als Interpret und Sprachrohr der "Propheten" nicht viel anders bestellt ist und daß hier kein Weg offensteht, sich aus der Verantwortung davonzustehlen. 

"Ich bin alt und erschöpft."
Ja menschlich gesehen handelt es sich um eine Tragödie:  die Tragödie eines alten, durch den Tod seiner Frau vereinsamten und aus der Bahn gerissenen Mannes, dessen unbestreitbare frühere Verdienste angesichts der persönlichen Entwicklung, die er nunmehr genommen hat, auch in Zweifel gezogen werden werden ...

" . . . so ziehe ich mich auf meine Wissenschaft zurück."
... in der T. aber seinen Kredit eben wohl auch verspielt haben dürfte.

"Sie sehen, ich habe wirklich selbst daran geglaubt. Ich will Ihnen nicht sagen, wie viele hunderttausend Schilling mich das alles gekostet hat."
An der Tatsächlichkeit von T.s Selbst-daran-geglaubt-Habens besteht für mich nicht der geringste Zweifel dies würde, wenn wir es mit einem Gerichtsverfahren zu tun hätten, gewiß als "mildernder Umstand" angesehen werden, ist aber für die Frage seiner Verantwortlichkeit gegenüber den verunsicherten und in die Irre geführten Lesern seines Buches irrelevant.

" . . . aber ich werde mich hüten, je wieder Prophezeiungen abzugeben. Ich bin geheilt!"
Nicht bloß eine späte, sondern angesichts der zahlreichen Betroffenen eine zu späte Erkenntnis.

"Da muss doch noch was kommen . . ."
Und wiederum die Unbelehrbarkeit, einen bestimmten Ablauf auch jetzt noch geradezu zu postulieren ...

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Die ganze Woche

Ja, ich widerrufe die
falschen         
Prophezeiungen

          
"Ich hab den Prophezeiungen geglaubt. Das hat mich sehr viel Geld gekostet"
Über den Geldverlust kann ich angesichts der Gesamtumstände nämlich, daß sich T. stets als unbelehrbar,  starrsinnig und Gegenargumenten unzugänglich erwiesen hat, sowie, daß er ein gerüttelt Maß an Verantwortung gegenüber seiner Lesergemeinde auf sich genommen hat kein Mitleid empfinden. 

"Ich hab' mir einen Luftschutzraum bauen lassen mit Stahltüren und einem Filter. Das ist eine anderthalb Meter große Betonkiste mit Lavasand, der die Radioaktivität absorbiert, wenn man Luft durchpumpt."

"Ich hab' kein schlechtes Gewissen. Das müßte ich nur haben, wenn ich als Interpret etwas falsch gemacht hätte. Die Leut' glauben, daß ich schuld bin. Aber ich bin gefallen."
Was war T. denn, wenn nicht ein Interpret? Daß er, wenn er auch selbst gefallen ist, kein schlechtes Gewissen empfindet, ist, gelinde gesagt, bemerkenswert. Die Tatsache, daß er seine Teilnahme an den Basler Psi-Tagen abgesagt hat, veranlaßt mich, darüber zu spekulieren, ob er in seinem Inneren nicht doch Gewissensregungen empfindet, die er halt gegenüber der Öffentlichkeit nicht zuzugeben bereit ist.

"Wirklich gefürchtet haben sich nur geistig labile Menschen. Der Normalmensch hat das anders betrachtet."
Diese Aussage ist schlechtweg menschenverachtend. In unserer heutigen Gesellschaft, die es als einen humanitären Auftrag empfindet, sich in besonderem Maße der Schwächsten unter uns anzunehmen z.B. Behindertenfürsorge, Abschrägen der Gehsteige für Rollstuhlfahrer, etc. , ist die sozialdarwinistische Aussage T.s, "nur geistig labile Menschen . . ." einfach unakzeptabel.
Vom Standpunkt der Psychohygiene
diese ist nach BENDER aus humanitären Gründen heraus ein permanenter und unbdingbarer Begleitauftrag der Parapsychologie kommt es in besonderer Weise darauf an, Menschen, die Probleme in diesem Bereich haben, durch rationale Aufklärung zu helfen, ihre irrationalen Ängste udgl. zu überwinden; stattdessen läßt es T. dabei bewenden, solche Personen als "geistig labil" zu stigmatisieren und auszugrenzen.
Der psychische Schaden, den die erlittenen Ängste bei den betroffenen Menschen
d.h. jenen, die T.s Buch Glauben geschenkt haben verursacht hat, kann nie mehr gut gemacht werden. Dennoch, so meine ich, sollte T. wenigstens ein symbolisches Zeichen seines guten Willens setzen und siehe oben auf die Einnahmen aus dem Weltuntergangsbuch zugunsten eines guten Zwecks verzichten.

"Es gibt zwei Ereignisse, die seit mehr als 2.600 Jahren für 1999 vorhergesagt werden. Nostradamus hat prophezeit: 'Es wird zuerst die große menschliche Brandfackel kommen und die wird beendet durch die kosmische Brandfackel.' Das war eindeutig die Aussage zuerst Weltkrieg und dann Komet."
Es ist müßig, zu überlegen, wer geirrt hat ob es NOSTRADAMUS selbst war oder sein Exeget T. und zwar ist es deshalb müßig, weil es ja von vornherein einen Denkfehler darstellt, die dunklen Verse des NOSTRADAMUS so behandeln, als ob es gewiß wäre, daß ihnen eine reale Schau der Zukunft zugrundeliegt. Schließlich kennt man in der Parapsychologie keinen einzigen Präzedenzfall einer präkognitiven Vision über derartig lange Zeiträume hinweg. Die längsten zeitlichen Distanzen betragen ein bis zwei Generation, z.B. bei den Spœkenkiekern in WESTFALEN sowie bei Trägern des "Second Sight" in den schottischen Hochlanden beides in dieser Form aufgrund der Kulturflüchtigkeit des Zweiten Gesichts (SCHMEĎNG) rezent nicht mehr vorkommend. Im übrigen ist aus der Forschung mit Spontanfällen bekannt, daß die Ergebnisse der Präkognition umso besser sind, je kürzer das zeitliche Intervall ist, das zwischen dem präkognitivem Phänomen und der Realisierung liegt.  

"Der Elsässer und die bayrischen Propheten haben alle gesagt: wenn das Getreide reif ist. Nach dem hundertjährigen Durchschnitt ist das der 5. August. Die Schauungen waren alle gleich, und ich habe geglaubt, die haben das wirklich gesehen."
Natürlich haben das "alle gesagt", weil sie nämlich alle zusammenhängen, weil sie nämlich alle dieselben Texte bis in Einzelheiten der Formulierung hinein, bis zu gewissen stehenden Phrasen hin, wie ich das an anderer Stelle gezeigt habe ständig perpetuieren. Leider war T. nicht bereit, dies zu akzeptieren, sondern er hat vor den ihm vorgelegten Tatsachen die Augen geschlossen und hat starrsinnig ausschließlich seine vorgefaßte Meinung bzw. die jener ähnlich denkenden, selbstreferentiellen Kreise, deren Mitglieder einander durch ständiges Feedback aufschaukeln, weiter verfolgt.
Mit dem "Elsässer" ist vermutlich der Fall der "Feldpostbriefe" gemeint, den BENDER szt. publiziert hatte und den ich durch freundliches Entgegenkommen von P. Frumentius RENNER selbst einzusehen Gelegenheit gehabt habe. Gerade dieser Fall ist ein Lehrstück für eine bloß fragmentarische Kongruenz des visionär Geschauten mit der späteren Realsituation und müßte jedem Einsichtigen die Augen dafür öffnen, daß Visionen nicht blind vertraut werden darf.

"Aber perfekt ist niemand. Nostradamus und die anderen Propheten haben zum Teil geirrt. Sie haben gesehen, daß es auf Messers Schneide steht, und haben dann offenbar aus eigener Phantasie, das ist mir bis jetzt ein Rätsel, woher die das haben –  dazuinterpretiert. Das haben sie immer gemacht, wenn sie keine lückenlosen Vorhersagen treffen konnten. Da hat es schon gereicht, daß sie sich überfressen haben oder zu viele Bilder im Zimmer aufgehängt waren, daß sie abgelenkt waren."
Daß Überleistungen der Phantasie eine Rolle spielen, ist wohl völlig unbestritten. Aber die primäre Frage ist doch wohl, ob die Übereinstimmungen soweit solche eben feststellbar sind auf paranormalem Wissenserwerb, also Präkognition, beruhen, oder ob sie nicht bloß auf geschickte Interpretation unspezifischer, allgemein gehaltener bzw. unklarer Aussagen oder etwa gar nur auf bloß zufällige Koinzidenzen zurückzuführen sind. 

"Die Situation war ganz ernst. Wie die Russen im Kosovo mit ihren Panzern eingerückt sind, hat der NATO-Oberkommandierende General WESLEY CLARK seinem untergebenen britischen General MICHAEL JACKSON den Befehl gegeben: 'Greifen Sie an.' Der hat geantwortet: 'Ich werde nicht den Dritten Weltkrieg für Sie beginnen.' Der hat das begriffen, daß es so kritisch war."
Man mag diese zugegeben nicht unkritische Situation verschieden beurteilen, vielleicht auch minder dramatisch, als T. das tut mit der Korrektheit der von T. herangezogenen Prophezeiungen hat dies alles jedoch nichts zu tun. Schließlich erheben ja die Aussagen, die man in der Prophezeiungsliteratur findet und die nun hier sozusagen am Prüfstand stehen, den Anspruch, die (künftige) Realität darzustellen, nicht aber mögliche alternative Zukunftsentwürfe.

"Nostradamus hat bisher zu hundert Prozent recht gehabt. Er hat zum Beispiel dreimal die Sowjetunion erwähnt und daß sie nur 73 Jahre und drei Monate alt wird."
Diese in der Tat bemerkenswerte Aussage stellt einen, vielleicht den einzigen, Treffer in dem NOSTRADAMUS-Buch von CENTURIO (recte Alexander CENTGRAF) dar ich glaube, einen oder auch den anderen Treffer in einem mittelstarken Buch von etwa 250 oder 300 Seiten darf man ruhig auf Konto des Zufalls buchen; ferner wäre es nicht uninteressant, nachzuzählen, wie viele Aussagen des laut T. "bisher zu hundert Prozent recht gehabt" habenden NOSTRADAMUS auf den anderen Seiten dieses Buches verzeichnet sind, welche im Gegensatz zur Dauer der Sowjetherrschaft in RUSSLAND nicht eingetroffen sind, und daraus eine Statistik der Trefferhäufigkeit zu ermitteln.

"Und Nostradamus sagt für den Monat September den Kometeneinschlag voraus. Da muß man rechnen, das war der julianische Kalender, deshalb muß man 13 Tage dazugeben. Das kann schon Anfang Oktober hineinkommen. Den Kometen, der die Erdbahn kreuzt, haben die Astronomen ja jetzt entdeckt. Und da hat auch weitgehend alles gestimmt. Nostradamus hat gesagt, man wird den Kometen während des Zeichens des Krebses entdecken. Tatsächlich entdeckt wurde er am 12. Mai wenn man bedenkt, daß das ein paar Jahrhunderte vorher gesagt wurde, ist das nahe dem Krebs. Daß er im Sternzeichen des kleinen Bären entdeckt wird, hat vollkommen gestimmt. Ebenso die Tatsache, daß er hinter der Sonne hervorkommt“
Selbst wenn das alles so stimmen sollte, ist es doch völlig irrelevant, weil der Gegenstand der Prophezeiung nicht das Auftreten eines Kometen überhaupt oder unter bestimmten Konstellationen gewesen ist, sondern dessen Impakt auf der Erde und eben diese Kollision ist, wie zu erwarten gewesen war, ausgeblieben.

"Es hat viele gegeben, die hatten zu 90 Prozent recht. Nur einer hatte bisher immer recht: Nostradamus. Es war mein Fehler, daß ich ihren Interpretationen zu hohes Vertrauen geschenkt habe."
Eine späte Einsicht in gemachte Fehler aber leider noch immer keine Einsicht in die grundlegenden Denkfehler!

"Diese Prophezeiungen gibt es, das ist keine Phantasie. Mein Vater, ich weniger und wieder stärker mein Sohn sind sensitiv, das heißt, wir haben immer wieder Schauungen. Wir haben ungefähr zwölfmal miterlebt, wie ein Verwandter gestorben ist."
Hier wird gleich ein derartiger Denkfehler vorexerziert, mit dem T. freilich nicht alleinsteht (bloß wiegt er bei einem Mann von seinem intellektuellen und sozialen Kaliber ungleich schwerer als beim "Mann von der Straße"), nämlich der Verlust jeglicher Proportionen und deren Relation zueinander: 
Jawohl, Präkognition ist heutzutage erwiesen, im Spontanfall wie auch in
der Experimentalsituation:  so weit ist T.s Aussage korrekt. Aber von der schmalen Basis von Spontanfällen im Familienkreis mit deren kurzer zeitlicher Distanz und enger emotionaler Bindung T. hat mir übrigens schon vor 20 Jahren selbsterlebte Fälle berichtet, und ich habe keine Ursache, an deren Wahrheit zu zweifeln extrapolierend auf das Vorkommen von Prophetie im weltgeschichtlichen Horizont und im zeitlichen Ausmaß von vielen Jahrhunderten zu schließen, ist völlig unbegründet und daher einfach unzulässig.
Genau hier liegt ja eines des Probleme der Parapsychologie:  der Zweifrontenkampf, den sie zu führen hat, einerseits gegen die "Skeptiker", die Affektiv-Ungläubigen bzw. Negativ-Gläubigen, und andrerseits gegen jene, die im Überschwang ihrer Gläubigkeit jegliche rationale Kritik über Bord werfen und oft an sich Richtiges durch maßlose Überhöhung ins Falsches verkehren. T., der frühere Atheist, der nun aufgrund seiner Beschäftigung mit parapsychologischen Studien seinen Gott gefunden zu haben vermeint (s.o.), gehört in diese zweite Kategorie. Daß die unzulässige Extrapolation bescheidener Spontanfälle in welthistorische Bereiche hinein nicht funktioniert, hat T. nunmehr selbst
mit gemischten Gefühlen, einerseits angeblich sehr glücklich, andrerseits der Entwicklung der Ereignisse offenbar mit völligem Unverständnis gegenüberstehend zur Kenntnis nehmen müssen. Leider hat er aber zahllose Menschen mit seinem verantwortungslosen Buch sehr verunsichert und ihnen durch irrationale Ängste psychisches Leid zugefügt; darüber hinaus hat er aber auch mit diesem im Gegensatz zu seiner beteuerten Absicht ganz und gar nicht seriösen Werk dem Ansehen der Parapsychologie schweren Schaden zugefügt. 

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