"Prophezeiungen" und KOSOVO-Krieg

     
Postscriptum

zu den

Weltuntergangspropheten

aus dem aktuellen Anlaß des tragischen KOSOVO-Krieges

 


                  

Viele Menschen sind aufgrund der Eskalation, die der KOSOVO-Konflikt in den letzten Wochen und Tagen (1) genommen hat, mehr als beunruhigt, haben Zukunftsängste und befürchten – nicht zuletzt auf der Basis der Prophezeiungs-Literatur –, daß sich hier bereits der kommende "Dritte Weltkrieg" abzeichnet. Eben weil Menschen durch derartige Lektüre verunsichert werden, eben weil dadurch irrationale Ängste geschürt werden, ist diese Art von Literatur vom psychohygienischen Standpunkt aus strikt abzulehnen.         

Bevor wir die letzten politisch-militärischen Entwicklungen in EUROPA mit den Aussagen der "Propheten" und ihrer Interpreten kurz vergleichen, sei eines vorausgeschickt:    

aber

hier geht es nicht um eine politisch-militärische Analyse, sondern ausschließlich darum, ob bzw. wie weit die Lageentwicklung im KOSOVO, deren Zeugen wir derzeit sind, sich in den Aussagen der "Propheten" vorfindet, inwiefern sie im Vorfeld des vorausgesagten Dritten Weltkriegs angekündigt ist – d.h., ob die Prophezeiungen hinsichtlich dieser Lageentwicklung bisher richtig gewesen waren und ob sich daraus dem Rest der Prophezeiungen gegenüber Vertrauen einstellen sollte oder ob das Gegenteil der Fall ist.       


Unisono ist den in Rede stehenden Prophezeiungen vom "Vision 2004" bis zum TOLLMANN-Buch gemeinsam, daß sie unter vielen anderen die folgenden beiden Aussagen treffen:      

Beides ist nicht schwer zu erklären:         

  1. die beiden Weltkriege haben auch jeweils im Herbst begonnen, irgendwie ist da der Analogieschluß nicht weit, daß es das nächste Mal wiederum so kommen werde          

  2. der BALKAN ist seit langem ein Unruheherd und eine Krisenregion in EUROPA, zumindest seit den Zeiten des Machtverlusts des osmanischen Reiches, und es ist eine Ironie der Geschichte, daß gerade jene zwei osmanischen Provinzen, die aufgrund der Verträge von 1878 in die Verwaltung anderer Mächte gekommen sind (BOSNIEN-HERZEGOWINA ==> ÖSTERREICH-UNGARN bzw. ZYPERN ==> GROSSBRITANNIEN) beide aufgrund ihrer ethnisch und religiös gemischten Population bis heute keinen Frieden gefunden haben. Darüber hinaus haben wir alle den Zerfall des früheren JUGOSLAWIEN erst nach einer überraschend langen Latenzzeit nach dem Tode von Präsident TITO und die seither in diesem Raum abgelaufenen regionalen Kriege miterlebt. Es gehört demnach nicht sehr viel Prophetie dazu, um vorauszusagen, daß diese Entwicklung noch nicht an ihrem Ende angekommen ist und daß es weitere militärische Aktionen am BALKAN geben werde.      


Kommentar:

Das spiegelt in keiner Weise die Tatsachen richtig wider.        Zumindest seit dem Angriff der NATO kann von einem "Bürgerkrieg" nicht mehr die Rede sein. Der Konflikt hat hier zweifellos eine neue, weit größere (und ihren Auswirkungen noch völlig unabsehbare) Dimension gewonnen, von der man sich mit Fug und Recht erwarten könnte, daß sie bei einer Beschreibung der Ereignisse irgendwie reflektiert wird, sowohl, was das Engagement der USA sowie einer Vielzahl von europäischen NATO-Mitgliedsstaaten betrifft, wie auch das Elend von einer halben Million Flüchtlingen oder mehr. All das ist nicht der Fall. Bloß von einem andauernden "Bürgerkrieg" zu sprechen, ist eindeutig falsch.        

Kommentar:

Auch die Elemente dieser Prognose sind von den Tatsachen Lügen gestraft worden. Weder ist es zu einer Wirtschaftskrise in DEUTSCHLAND gekommen, noch ist die Inflation über das übliche Maß hinausgegangen, und Unruhen hat es (glücklicherweise) auch keine gegeben, in RUSSLAND läßt die vorhergesagte Machtergreifung der vereinten Kommunisten und Nationalisten weiterhin auf sich warten, und im NAHEN OSTEN schließlich war und ist es man ist versucht, zu sagen, "ausnahmsweise" ruhig (2). Selbst wenn man meinte, daß die Feststellung der genauen chronologischen Reihenfolge für den Seher besonders schwierig sei und daß hierbei vielleicht manchmal die Sequenz der Ereignisse vertauscht erschiene, so haben bisher auch die weiteren prognostizierten Ereignisse (Revolutionen in FRANKREICH und ITALIEN und Flucht des Papstes) weder stattgefunden, noch haben sich irgendwelche Anzeichen dafür ergeben, daß sie vor der Tür stünden.    

All das Angekündigte hat nicht stattgefunden, hingegen ist aber das, was tatsächlich stattgefunden hat, nicht vorausgesehen worden.   Sapienti sat!       

Damit ist wieder einmal, aber diesmal eben anhand aktueller Ereignisse erwiesen, daß derartige weltgeschichtlichen "Prophezeiungen" haltlos sind und bloß "Quartbände voll Unsinn" (3) darstellen.
                        

Eindeutiger als durch die gegenwärtigen Ereignisse (4), so tragisch diese an sich auch sind, könnten die Ansprüche, die sich in der einschlägigen Literatur finden, gar nicht mehr widerlegt werden.

Nachdem sich all das bisher als falsch erwiesen hat, wird wohl niemand, der gesunden Sinnes ist und Urteilskraft besitzt, jetzt noch der Voraussage eines Dritten Weltkriegs Glauben schenken.       

© Peter MULACZ

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1)  Geschrieben am 9. April 1999
(Vgl. auch mein "Nachwort" vom 20. Juni 1999)

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2)  Selbst die Abwahl des israelischen Premierministers NETANYAHU, dem von Ray NOLAN ein gewaltsames Ende vorausgesagt worden ist, ist völlig unspektakulär über die Bühne der Weltgeschichte gegangen.

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3)  KANT, allerdings in anderem, freilich nicht ganz unähnlichem Zusammenhang (über den "Geisterseher"  SWEDENBORG)                           

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4) Zusatz vom 10. Juni 1999:

Es scheint, daß der gestern unterzeichnete Waffenstillstand greift (und es ist für die betroffenen Menschen auch sehr zu hoffen, daß er funktioniert).            
Kann man darin erblicken, daß TOLLMANN mit seinen beiden oben zitierten Aussagen "neuer Krieg am BALKAN" sowie "eine gewisse Entspannung  . . .  Hoffnung auf Frieden" vielleicht doch recht gehabt hätte?
Ganz gewiß nicht! Abgesehen davon, daß aus wahrscheinlichkeitstheoretischen Gründen bei vielen Aussagen stets einzelne davon zutreffen werden, so zeigt auch eine etwas genauere Analyse, daß hier gar keine Treffer vorliegen:       

[1.] TOLLMANN spricht von einer ganzen Reihe anderer Ereignisse (siehe oben), und zuletzt, also nach diesen Ereignissen, käme der Balkankrieg. Da diese anderen Ereignisse jedoch allesamt nicht eingetroffen sind, kann es sich gar nicht um den für danach prognostizierten Krieg handeln.
[2.] Die Formulierung "gewisse Entspannung" findet sich keineswegs im Kontext des Balkankriegs, sondern später, eher unspezifisch; sie auf den Balkankrieg beziehen zu wollen (der im Buch überhaupt nur zwei Mal und zwar ohne jedes Detail erwähnt wird, zuletzt einige  Seiten vor der Stelle mit der "Entspannung"), hieße, einer interpretativen Willkür Tür und Tor zu öffnen, mit welcher man beliebig alles und jedes untermauern kann.     
Weiterer Zusatz vom 12. Juni 1999:    
Ray NOLAN, ein anderer NOSTRADAMUS-Interpret, sagt für Sommer 1999 (genauer: allerdings für den Juli) den Einmarsch der Russen in Westeuropa als Auftakt zum Dritten Weltkrieg voraus*. Im soeben erfolgten, durchaus überraschenden und mit der Führung der NATO-Truppen nicht abgesprochenen Vorstoß der Russen in den KOSOVO (und Besetzung des Flugplatzes von PRISHTINA) kann jedoch – ängstlichen Gemütern zur Beruhigung – keinerlei Realisierung dieser Prophezeiung erblickt werden:  während der  KOSOVO bekanntlich in Südosteuropa liegt, spricht die "Prophezeiung" sehr eindeutig von Westeuropa.  (TOLLMANN hingegen spricht bei seiner Prophezeiung von einem "Überfall der russischen Armee auf Mitteleuropa", also auch nicht Südosteuropa.) Wiederum gilt:  was prophezeit worden ist, hat sich nicht realisiert, und was sich realisiert hat, ist nicht vorausgesagt worden; ferner, den Südosten willkürlich gegen den Westen auszutauschen, hieße wiederum, einfach alles, was gesagt worden ist, zu verdrehen.
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*) Ich habe dieses Zitat von einer nicht mehr on-line befindlichen Website. 
Ray NOLAN selbst wies mich darauf hin, daß sich diese Aussage nicht in seinem Buch befinde, und ich bringe hier gerne diese Berichtigung [Okt. 2001].  Leider steht mir sein Buch nicht zur Verfügung, sodaß ich es selbst nicht einsehen kann. 

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Nachwort vom 20. Juni 1999: 

Heute ist von Xavier SOLANA, dem Generalsekretär der NATO, offiziell das Ende der militärischen Aktion bekanntgegeben worden.

Dieser Krieg (umgangssprachlich "Krieg", wenn es vielleicht auch völkerrechtlich gar kein Krieg gewesen sein mag) hat also rund drei Monate gedauert, während deren insgesamt geschätzte 800.000 Menschen zu Flüchtlingen geworden sind.

Somit darf Bilanz gezogen werden   –   es bleibt dabei:  der KOSOVO-Krieg findet sich in der Form, wie er tatsächlich stattgefunden hat, nicht in den "Prophezeiungen", während das, was sich wirklich im KOSOVO abgespielt hat, in keiner Weise vorausgesagt worden ist.

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© P
eter MULACZ
         

   

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